Am 10. Juni 2018 wurde im Kanton Basel-Stadt eine Volksinitiative angenommen, die das „Recht auf Wohnen“ attestiert. Seitdem ist der Kanton verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sich alle gemeldeten Personen „ihrem Bedarf entsprechenden Wohnraum beschaffen können, dessen Mietziens oder Kosten ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht überschreitet.“ Das ist keine kleine Aufgabe, und so hakt es auch vier Jahre später noch bei der Umsetzung. Allerdings wurde das städtische „Wohnbauprogramm 1000+“ gestartet, mit dem der Kanton seinen Wohnungsbestand von 2.000 auf 3.000 Einheiten aufstocken will. Dabei sollen alle neuen Wohnungen 15 bis 20 Prozent unter dem Marktpreis vermietet werden.
Am Hirtenweg in Basel-Riehen wird derzeit das erste Projekt des Programms fertig. Es ist ein komplexes Vorhaben: Auf dem Gelände standen fünf sanierungsbedürftige Wohnbauten. Drei davon werden saniert, die beiden übrigen abgerissen und durch drei Neubauten ersetzt. Der Entwurf der neuen Gebäude stammt von Harry Gugger Studio (Basel), das 2018 gemeinsam mit Erne Holzbau den Gesamtleistungswettbewerb gewonnen hatte. Überzeugen konnte der Entwurf im Wettbewerb durch seine städtebauliche Setzung, die sich aus der Überschneidung der Abstandsflächen, dem Erhalt der Baumgruppen, einer optimalen Wohnungserschließung sowie -orientierung ergibt. Hinzu kam, dass der Vorschlag als einziger im Wettbewerb eine Etappierung des Bauprozesses vorsah. In den ersten Neubau können die Mieter*innen des ersten Abrisshauses einziehen, in den zweiten dann die Mieter*innen des zweiten Abrisshauses. So muss niemand den Wohnort wechseln. Bis zum Herbst soll auch der dritte Neubau fertig sein.
Aufgrund der organisatorischen Komplexität und des geringen Budgets schlugen die Architekt*innen eine Holzmodulbauweise vor, die vergleichsweise rasch und leise vor Ort montiert werden kann. In nur vier Tagen stand der erste Neubau aus 18 Modulen. Die kompakte Bauweise wird durch eine geschickte Fassadengliederung aufgelöst: Zunächst betonten die Architekt*innen durch Balken und Abdeckbleche die Horizontale. Diese erste Ordnung wird dann von den auffälligen Lisenen, die direkt unterm Flachdach noch kräftig ausschwingen, vertikal überlagert – fast möchte man von einer reduzierten Holzmodulbaugotik sprechen. Dazu kommt das kräftige Schwedenrot des Fichtenholzes, das zusammen mit den grauen Blechen und den weißen Vorhängen der Loggien „ein bisschen Bullerbü-Stimmung“ aufkommen lässt, wie der Blog architekturbasel.ch findet.
Alle Wohnungen in allen drei Neubauten werden über offene Treppenhäuser und Laubengänge erschlossen. Innen öffnen sie sich mit raumhohen Fenstern zu mindestens zwei Seiten, und weite Öffnungen zwischen den Zimmern ergeben diagonale Raumbezüge quer durch das strenge Raster der Module. Harry Gugger sagt, um beengte Räume zu vermeiden, habe man den Holzbauern „maximale Öffnungen in den Modulen“ abverlangt – bis zu dem Punkt, ab dem man die Module nicht mehr hätte transportieren können.
Innenausbau und Ausstattung der Wohnungen sind hingegen eher schlicht. Die Palette der Grundrisse reicht von 2,5 bis 4,5 Zimmern zwischen 60 und 92,5 Quadratmetern. Das ambitionierte Kostenziel konnte eingehalten werden: Bei Baukosten von 14,7 Millionen Euro wird zum Beispiel die 86-Quadratmeter-Wohnung für eine Monatsmiete von 1.784 Schweizer Franken vergeben, was tatsächlich etwa 20 Prozent unter Basler Marktpreis liegt. Bleibt noch die Frage nach der Quantität: Denn wenn der dritte Neubau am Hirtenweg im Herbst stehen wird, dann sind dort insgesamt gerade mal 43 neue Wohnungen entstanden. Fehlen noch 957 von den geplanten 1.000. (fh)
Fotos: Daisuke Hirabayashi
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Peter | 09.09.2022 17:02 UhrEinfach und gut
Eine wirtschaftliche Lösung, die aber nicht direkt danach aussieht, sondern seinen architektonischen Anspruch durchgehalten hat. Außerdem wirklich gute Grundrisse, sofern man mit dem nicht vorhandenen Entre leben kann.