Sie ist eine der Zwanziger-Jahre-Siedlungen, die kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert ist – wohl weil sie nicht, wie die zum Weltkulturerbe angemeldeten Berliner Siedlungen, in Sinne des Neuen Bauens klassisch modern gehalten ist. Der Lindenhof in Berlin-Schöneberg, 1918-21 vom späteren Berliner Stadtbaurat Martin Waggner erbaut, zeigt vielmehr – wie bis weit in die zwanziger Jahre hinein üblich – eine konservative, irgendwie gotisierende und barockisierende Formensprache. Dennoch ist sie denkmalgeschützt und von hohem architektonischem Wert. Nach 15 Jahren Planungen und Abstimmungen mit der Denkmalpflege wird jetzt ein einhundert Meter langer Teil der Siedlung aufgestockt. Architekt dafür ist Carlos Zwick, Berlin.
Dabei soll die Siedlung nach Kriegszerstörungen und Veränderungen einerseits wieder dem ursprünglichen Erscheinungsbild nähergebracht werden, andererseits gilt es, den nach dem zweiten Weltkrieg durch Aufstockung entstandenen Bestand an Wohnflächen zu erhalten.
Carlos Zwick nutzt für die neuen Wohnungen das gesamte Volumen der Spitzdächer und gewinnt mit einer Galerieebene zusätzliche Wohnfläche. Die später hinzugefügten, verputzten Gauben werden entfernt und durch ein durchgehendes Fensterband ersetzt. Durch die Vereinheitlichung erscheint das Dach wieder geschlossener und der Baukörper wieder um ein Geschoss reduziert.
Aus den ehemals 40 bis 90 Quadratmeter großen Dachwohnungen in der Suttnerstraße und in einigen Häusern an der Reglinstraße werden so Wohnungen mit Maisonette-Charakter mit bis zu 145 Quadratmetern Wohnfläche.
Um die Funktionalität des architektonischen Kunstgriffs zu belegen und zur Abstimmung mit den Denkmalpflegern wurde in einer dreihundert Meter entfernten Lokhalle auf dem Schöneberger Eisenbahn-Südgelände ein begehbares Modell eines Dachabschnitts im Maßstab eins zu eins gebaut. Hier konnten jeweils unterschiedliche Fenster und Dachdeckungen in ihrer Wirkung überprüft werden.
Gebaut wird in einem großen Gerüstzelt, das von einem sich öffnen lassenden Notdach bedeckt wird. Zunächst werden die alten Dachstühle und Giebelwände abgetragen. Dann wird eine neue Decke betoniert, auf der das Stahl- und Holzgerüst des neuen Dachstuhls errichtet wird. Wenn die Maurer- und Dachdeckerarbeiten beendet sind, wandert das Gerüstzelt zum nächsten Haus weiter. Die Arbeiten sollen 2009 abgeschlossen sein.
Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin (AIV) veranstaltet am Dienstag, 1. Juli 2008 um 17 Uhr im Rathaus Schöneberg (Saal 195) ein Kolloquium zum Wirken von Martin Wagner als Stadtbaurat von Schöneberg und Groß-Berlin. 90 Jahre zuvor, am 1. Juli 1918, trat Martin Wagner das Amt als Stadtbaurat von Schöneberg an. Sein erstes Projekt war der Lindenhof. – Es sprechen unter anderem:
- Ludovica Scarpa
Martin Wagners Ankunft im steinernen Berlin
- Johannes Küchler
Martin Wagner und das Soziale Grün
- Jörn Düwel
Unbedingt die neue Stadt!
- Harald Bodenschatz
Martin Wagner und das Hansaviertel
- Norbert Reinelt, Carlos Zwick
Wagner heute weiterbauen