Mailand war immer und ist bis heute ein impulsgebendes Zentrum für Architektur. Nicht nur Geschichtsliebende erkennen an frühchristlichen Kirchen, gotischem Dom und ersten Einkaufsgalerien des 19. Jahrhunderts die lange Tradition einer Zeitgemäßheit dieser Stadt. Auch heute noch zeigt sich, dass Mailand architektonisch nicht still steht. In der Debatte um ein verdichtetes urbanes Wohnen setzte Stefano Boeri vor ein paar Jahren mit dem Bosco Verticale ein Statement. Nun soll an der zentralen Verkehrsader Via De Cristoforis ein ganzes innerstädtisches Wohngebiet entstehen. Das Novetredici von Cino Zucchi Architetti (Mailand) gehört zu diesem stadtplanerischen Unternehmen.
„Neun – Dreizehn” lautete die Übersetzung des Projekttitels. Eine Anspielung darauf, dass die zwei Volumen dieses Komplexes in dreizehn- und neunstöckige Abschnitte aufgeteilt sind. Schon jene Differenzierung zeigt, dass die Architekten bei diesem Duo einen Spagat machen müssen: Der Komplex grenzt einerseits an eine Wohngegend aus der Nachkriegszeit, andererseits erstreckt sich hinter ihm ein Hochhaus- und Geschäftsviertel, dessen gläserne Türme vor allem in den letzten Jahren entstanden. Das Novetredici, positioniert zwischen urbaner Transformation im Norden und einem bestehenden, dichten Stadtgewebe im Süden, soll mit seiner abgestuften Silhouette, seinen zwei Satteldächern und der variationsreichen Fassade eine Drehangel zwischen diesen beiden Räumen darstellen.
Großformatig und kleinteilig zugleich ist die Antwort von Cino Zucchi auf diese Anforderung: einmal die beiden wuchtigen Gebäudefiguren, die die groben Linien des Ensembles zeichnen und dann die vielen verwinkelten Details, die Erker, die unterschiedlichen Balkone, die Vor- und Rücksprünge. Zusätzlich betont wird die räumliche Kleinteiligkeit durch die Fassade, die mit Backstein, farblich bearbeiteten Metallelementen und einigen historischen Referenzen – Rundsäulen im Eingangsbereich, ein mit rustifiziertem Marmor verkleidetes Sockelgeschoss – postmoderne Züge aufweist. Der Bezug zur Geschichte darf bei diesem Bau ohnehin nie fehlen, visuell wie auch ideell. Beiden Wohnbauten umschließen einen autofreien Hof (es gibt eine Tiefgarage), den die Architekten als ein öffentliches Forum verstanden wissen wollen – was natürlich ans alte Rom denken lässt. (sj)
Fotos: Filippo Poli
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