Epilepsie ist ein tückisches Leiden, das den Alltag gefährlich und unberechenbar macht. Ein Anfall im falschen Moment kann nicht nur für schwere Verletzungen sorgen, sondern auch zur Desorientierung der Betroffenen beitragen. Bei hohem Anfallsrisiko ist darum eine durchgehende Betreuung notwendig, die oft nur in spezialisierten Einrichtungen gewährleistet werden kann. In Dommartin-lès-Toul bei Nancy wurde kürzlich ein solches Wohnheim fertiggestellt, das von Atelier Martel aus Paris gestaltet wurde.
Die Architekten nahmen den begrenzten Bewegungsradius der Bewohner zum konzeptuellen Ausgangspunkt, indem sie auf einer Grundfläche von 60 mal 60 Metern eine möglichst vielfältige Innenwelt entstehen lassen wollen. Breite Korridore und vier große Innenhöfe strukturieren das eingeschossige Gebäude, das aufgrund der erhöhten Verletzungsgefahr möglichst ohne Treppen auskommen sollte. Nach außen gibt sich das Gebäude mit seiner Betonfassade erstmal abweisend – auch wenn deren strukturierte Oberfläche durchaus einen weichen Eindruck macht.
Die Gestaltung der grauen Hülle ist das Werk der amerikanischen Künstlerin Mayanna von Ledebur, die von Beginn an am Entwurf des Gebäudes beteiligt war. Im Inneren entwarf sie außerdem eine 100 Quadratmeter große Tapisserie, die, in einzelne Paneele zerlegt, den verschiedenen Abschnitten des Gebäudes einen spezifischen Charakter gibt. Ansonsten sind die Materialien aus Kostengründen eher einfach gehalten – auch wenn einzelne Details wie die hölzernen Fensterrahmen trotzdem hochwertig sind.
Die Dialektik des Gebäudes ist eindeutig: hinter den dicken Mauern sollen die Bewohner Ruhe und Schutz finden. Trotzdem verschließt sich das Gebäude seiner Umwelt keineswegs – alle Öffnungen sind präzise gesetzt und erlauben weite Ausblicke auf die nahen Felder und Hügel. Das Ergebnis überzeugt: Ein robustes Gebäude, das trotzdem leicht wirkt und so den beschwerlichen Alltag seiner Bewohner zu verbessern vermag. (sb)
Fotos: Mayanna von Ledebur
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wiesengrund | 21.01.2016 12:29 UhrStädtebau
Die hervorragende Funktion der Kartenanzeige im Baunetz ist im gezeigten Beispiel sehr erhellend:
1. Der Standort liegt eher in der Nähe von Toul (Altstadt, Kathedrale...), Nancy ist über 20 km entfernt.
2. Das Wohnheim liegt abgeschnitten durch eine Autobahn in einem städtebaulichen Unort.
3. In unmittelbarer Nachbarschaft (im Schwarzplan auch sichtbar) liegt ein knastähnliches Riesengebilde (Psychatrie?)
Fazit: Wer trifft zum heutigen Zeitpunkt eigentlich noch solch haarsträubenden Standortentscheidungen?
4. Soll man da noch über Fassaden reden?