Roh und unverputzt – selten hat eine Beschreibung so sehr auf ein Gebäude zugetroffen wie auf dieses Wohnhaus im Londoner Stadtteil Hackney. Grob geschalter Beton, freigelegter Backstein, simple Holzeinbauten. Es passt zur Geschichte des Hauses, das zuletzt leer stand und dem Verfall preisgegeben war. 40 Jahre lang hatte zuvor ein Mann das große Haus bewohnt – Mole Man, wie er nur genannt wurde. Über Jahre hatte der „Maulwurf“ ein Netzwerk von Tunneln unter dem Haus gegraben, ein weitverzweigtes System unterirdischer Durchgänge geschaffen. Bis schließlich die Statik des gesamten Hauses bedroht war, das Mole House beschlagnahmt, der Mole Man rausgeworfen wurde.
Heute, nach einem Totalumbau durch das Londoner Büro Adjaye Associates, ist das dreistöckige Gebäude wieder bewohnbar. Beauftragt hatte das Projekt die Künstlerin Sue Webster, die hier, fasziniert von der architektonischen wie sozialen Geschichte, wohnen und arbeiten wollte. Zunächst aber mussten 33 Tonnen Schutt vom Grundstück geschafft und die vielen Tonnen Beton entfernt werden, mit denen die Stadt die Statik der gefährdeten Tunnel gesichert hatte. Der Prozess glich der Ausgrabung an einer archäologischen Fundstelle, so die Architekt*innen, schließlich sollten die Tunnel nicht einfach entfernt, sondern die baulichen Schichten erhalten und sichtbar bleiben.
Das Gebäude, das dank das Zusammentreffens zweier Straßen auf einem dreieckigen Grundstück steht, wurde erst einmal bis unter Straßenniveau ausgegraben, um das Fundament zu verstärken und das Untergeschoss um offene Wohnräume erweitern. Den vielen Tunneln sei Dank gibt es heute mehrere Eingänge: Einer führt zum Studio im unteren Erdgeschoss, ein anderer zum Wohnraum des Haupthauses. Ein dritter Weg ins Haus führt über Stufen durch den Vorgarten ebenfalls ins Atelier. Außenputz wie auch Gartenmauer, die nur ausgebessert wurde, blieben erhalten, was das bunkerartige Aussehen des Gebäudes betont. Neue Erkerfenster aus Beton, die von patinierten Bronzerahmen eingefasst werden, ragen unter einem Betonband hervor, welches das Haus horizontal umfasst.
Im Inneren teilt eine kreuzförmige Betonstruktur jedes Stockwerk in vier Zonen, zudem wurden die Außenwände verstärkt. Die ursprünglichen Innenwände und Böden dagegen wurden vollständig entfernt, da sie entweder eingestürzt oder bis zur Unzulänglichkeit erodiert waren. Eine Bestandsmauer, die das Gebäude einst in zwei Teile teilte, wurde ebenfalls abgerissen. Das Obergeschoss, das nach Brandschäden und Korrosion stark beschädigt war, bekam ein großes Oberlicht. Das ursprüngliche Satteldach wurde durch ein flaches Schieferdach ersetzt. Im Garten ist die Geschichte des Hauses gut zu erkennen, versteinerte Hausgeschichte, freigelegt und neu interpretiert. Nur Maulwürfe dürften es hier künftig schwer haben. (kat)
Fotos: Ed Reeve
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auch ein | 03.03.2020 12:57 Uhrarchitekt
wenn man drüber nachdenkt ist es die vorwegnahme der idee der londoner, mach unten zu bauen weil man oben nicht mehr darf.
der ehem. besitzer hatte definitiv nen kleinen schuss, die heutigen bauherren, die sich keine stollen sondern parkgaragen und schwimmbäder unterm haus bauen irgendwie ja auch.....
ein tolles haus.
irgendwie würde es mir darin gruseln wegen der vorgeschichte....man weiss nie was da noch so schlummert