Schön, wenn Geld keine Rolle spielt. Oder zumindest nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. Und noch schöner, wenn ein solcher finanzieller Spielraum zu einer so außergewöhnlichen Architektur führt wie das Rock Creek House am Rande von Washington D.C. Mit Budgetzwängen dürften NADAAA Architects (Washington/New York) vermutlich nicht ernsthaft zu kämpfen gehabt haben, als sie für einen privaten Bauherren ein bestehendes Wohnhaus aus den 1920er Jahren radikal überformten und erweiterten.
Warum der Altbau nicht abgerissen wurde, verschweigen die Architekten in ihrer Mitteilung zum Projekt leider. Denkmalpflegerische Belange dürften keinen Ausschlag gegeben haben. Vom Charme der zweigeschossigen Ostküsten-Backsteinvilla mit ihren klassizistischen Details blieb jedenfalls nichts übrig. Eher meint man, dass es wohl um eine genuin architektonische Auseinandersetzung mit den historischen Baustrukturen ging. Die relativ strenge Ordnung der zur Straße orientierten Nordfassade und die Dachform wollen die Architekten jedenfalls als Transformation historischer Formen verstanden wissen. Die Südseite des Hauses zum Garten hin zeigt sich demgegenüber weitaus verspielter und auch offener: Unterschiedliche Fensterformate wurden spannungsvoll in der Fläche verteilt und weisen auf die großzügige innere Organisation des Hauses hin. An den Seiten arbeiteten die Architekten mit auskragenden Fensterkästen.
Vor die Fassade stellten sie eine sechsbeinige Stahlstruktur, die über eine kleine Brücke erreicht wird und als Freisitz dient. Das eigenwillig biomorphe Design dieses Elements prägt auch das Innere des Hauses. Dieses hatte ursprünglich zwei Wohngeschosse, ein halb in den Hang gesetztes Untergeschoss sowie einen Dachboden. Durch den Eingriff der Architekten verfügt das Haus nun über vier Vollgeschosse, die durch eine standesgemäße Treppenhalle erschlossen werden. Obwohl die Architekten hier „nur“ auf Multiplex setzten, gelang ihnen eine echt luxuriöse und zugleich sehr individuelle Raumatmosphäre. Der warme Eindruck des Materials, die helle Farbe, das Spiel mit Schichtungen und den Strukturen des Holzes, die organischen und trotzdem irgendwie unterkühlten Formen – all dies fügt sich zu einem Raum, der irgendwo zwischen Star Trek und esoterischem Schulungszentrum angesiedelt zu sein scheint. Ebenso eigenwillig wie die Halle gestalteten NADAAA auch den geraden Treppenlauf vom Erdgeschoss hinunter in das Untergeschoss. Geradezu exzentrisch mutet schließlich die organisch geschwungene, assoziative Form der schmalen Öffnung an, die eine gezielte Sichtverbindung von der Treppenhalle zum Treppenlauf herstellt. Hier meint man gar einen Nachklang der Seventies und ihrer Vorliebe für weiche, körperliche Formen zu spüren.
Verglichen mit dieser organischen Treppenskulptur im Zentrum des Hauses, sind die übrigen Einbauten und die offenen Raumfolgen eher konventionell und folgen der Logik des gehobenen Villenbaus. Blickt man abschließend noch einmal von außen auf das Haus, wird deutlich, wie NADAAA zwei radikal unterschiedliche Gestaltungsansätze zu kontrastieren verstanden. Rock Creek House zeigt sich mit seinem schmalen und hohen Baukörper und dem cool geknickten Dach zwar selbstbewusst, hinter dem harten und glatten Äußeren verbirgt sich jedoch ein höchst artifizielles, organisches Interior Design, das die ästhetischen Möglichkeiten der guten alten Multiplex-Platte geradezu exzessiv zelebriert. (gh)
Fotos: John Horner