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09.01.2017

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Pyramide im Hinterhof

Wohnhaus von Barkow Leibinger in Berlin


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„Mehr Pyramide als Kubus“ schreiben Barkow Leibinger Architekten über ihr im Juli letzten Jahres fertiggestelltes Wohnhaus in einem Hinterhof im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Der Neubau irritiert in seiner Form auf den ersten Blick, doch die Baukörperdisposition ist selbstverständlich kein Manierismus. Das steil aufragende, gut zehn Meter hohe Dach ist Ergebnis zweier widersprüchlicher Planungsparameter, mit denen die Berliner Architekten umzugehen hatten. Die Denkmalpflege hätte gerne eine Wiederherstellung des zerstörten Hinterhauses in seiner ursprünglichen Kubatur gesehen, doch die heutigen Abstandsflächenregelungen machten dies unmöglich. Die naheliegende und doch ungewöhnliche Antwort auf diese Herausforderung war ein Haus mit einer Traufhöhe von nur 7,5 Metern und einem knapp 70 Grad geneigten Dach, das sich über drei Geschosse hinzieht und mit einer Dachterrasse abschließt. Dadurch konnten die geforderten Abstandsflächen zu den umliegenden Bauten eingehalten werden.

Den so entstandenen Baukörper behandelten Barkow Leibinger als in sich geschlossene Form. Bündig in der Wand sitzende Fenster und eine durchgehende Ziegelhaut vom Boden bis zur Dachterrasse machen dies mehr als deutlich. Konstruktiv handelt es sich um einen Stahlbetonbau mit Dämmung und Verblendmauerwerk. Den Ziegeln schenkten die Architekten und der private Bauherr dabei besondere Beachtung. Ein Fachbetrieb aus der Region fertigte 20.000 Ziegel in sechs Farbtönen, die als wilder Verband gesetzt und anschließend geschlämmt wurden. Für das schräg gemauerte Dach wurden Parallelformsteine und individuell geformte Ecksteine produziert. Die sichtbaren Herstellungs- und Lagerungsspuren der Ziegel sind gewollt und zielen auf eine angenehme und handwerkliche Taktilität, die mit der klaren Form des Hauses kontrastiert.

Die edle Ausführung der Fassade korrespondiert mit dem Raumprogramm, denn das Haus umfasst nur zwei Wohneinheiten, die je als Maisonette mit 250 beziehungsweise 200 Quadratmetern Wohnfläche organisiert sind. Die Wohnungen sind logisch in den Baukörper gesetzt. Die untere, größere Einheit erstreckt sich über Erd- und Obergeschoss. Die obere Einheit umfasst drei Ebenen und die Dachterrasse. Dienende Räume und Treppen sind an die Brandwand gelegt, die Grundrisse der beiden Wohnungen fallen vergleichsweise konventionell aus. Beide Wohnungen besitzen einen zentralen Wohn- und Essbereich, der je eine gesamte Etage einnimmt, sowie eine weitere Ebene mit drei Schlafzimmern. Die obere Wohnung besitzt außerdem ein einzelnes, zusätzliches Zimmer in der fünften Etage.

In ihrer Projektbeschreibung verweisen die Barkow Leibinger auf den direkten Kontext, der sie zur Farb- und Materialwahl inspiriert habe. Das All-Over der Backsteinfassade und die quadratischen Fenster mit ihren Aluminiumrahmen lassen aber auch in eine ganz andere Richtung denken. Sie erinnern an die gediegene Nachkriegsmoderne Skandinaviens – ein Eindruck, der durch die Maßstäblichkeit des gesamten Hauses, das sich deutlich der Brandwand unterordnet, zusätzlich verstärkt wird. Auf angenehme Weise spielt der Neubau seine Rolle als Haus im Hinterhof, das sich an die Bestandsstruktur anlehnt und nicht aufzutrumpfen versucht. In diesem Sinne führt das Label „Pyramide“ eher in die Irre. Denn es geht, auch wenn es sich hier um ein großzügiges Zweifamilienhaus handelt, eben nicht so sehr um die Präsenz einer stereometrischen Idealform, sondern in vielfacher Hinsicht um ein Anpassen und Einfügen in die dichte, gründerzeitliche Stadtstruktur. (gh)

Fotos: Simon Menges, Laurian Ghinitoiu, Christina Möller


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

13

a_C | 11.01.2017 15:05 Uhr

@11 + 12

Siehe www.baunetzwissen.de/brandschutz/fachwissen/flucht--rettungswege/anleiterbare-fenster-3143585

Hier heißt es u.a.: "Liegen anleiterbare Fenster in Dachschrägen oder Dachaufbauten, so muss ihre Unterkante oder ein davor liegender Austritt "1,00 m von der Traufkante (horizontal gemessen) entfernt sein."

D.h. für die oberen beiden Geschosse ist ein Anleitern nicht möglich, da die Unterkante der Fenster mehr als 1 Meter (horizontal) von der Traufkante entfernt liegt. (Das lässt sich aus den Plänen erkennen.) Also 2. baulicher Rettungsweg nötig!

12

wieauchimmer | 11.01.2017 12:04 Uhr

Antwort auf #11

@11

Anzunehmen.

Der 1.RW wird über den Treppenraum gehen während der 2.RW über die interne Treppe ins 2.OG und dann übers Fenster erfolgt. Möglich, dass 3.+4.OG nicht mehr angeleitert werden können, bzw. man unschöne Rettungsbalkone vermeiden wollte.

11

Archiknecht | 10.01.2017 15:35 Uhr

Treppenhaus

Warum benötigt die obere Wohnung 2 Treppen (intern+extern)? Wegen der gemeinsamen Dachterrasse? Laut Text gehört diese zur oberen Wohnung. Oder gibt es diese aus brandschutz- bzw. fluchtwegtechnischen Gründen?

10

Johann Maier | 10.01.2017 13:46 Uhr

Und sonst

Ist es unbedingt notwendig, ein Dach zu mauern? Ist das die konsequente aus dem Kontext entwickelte Verdichtung des Bestandes?
Würde das Haus so aussehen, wenn man die Abstandsregeln konsequent in Geometrie umsetzt?
Widerspricht der Wunsch der Denkmalpflege, ein Haus wieder aufzubauen, also zu rekonstruieren, nicht den eigenen Doktrin?

9

kaptain kirk | 10.01.2017 09:59 Uhr

unser Auge

Hört, hört!
Da hat das selbsterklärte Volksauge also wieder einen Schandfleck ausgemacht. Und was ist wenn ich das Gebäude schön finde? Gehöre ich dann nicht mehr dazu, zu "unserem Auge"?
Im übrigen glaube ich nicht, daß es darum geht eine Bauvorschrift auszutricksen. Ich verstehe den konzeptionellen Ansatz eher so, dass im Rahmen der bestehenden Regeln möglichst viel Qualität erreicht werden soll. Meiner Meinung nach ist das vollumfänglich gelungen. Insbesondere die Grundrisse sind sauber zoniert und bieten ein hohes Maß an Struktur und Nutzerkomfort. Glückwunsch dazu.

8

Jochen | 10.01.2017 09:48 Uhr

Sehr schön

Endlich mal ein interessantes und gelungenes Beispiel für eine Nachverdichtung in Berliner Hinterhöfen! Das Projekt ist meiner Meinung nach eine sehr gute Auseinandersetzung mit den ganzen Zwängen und Vorgaben und vor allem mit dem Ort. Von der Form bis zum Material. Und das nächste Mal dann an einer anderen Stelle als sozialer Wohnungsbau...sehr schön!

7

a_C | 10.01.2017 05:38 Uhr

So nicht mehr möglich in Berlin!?

Zuerst: Gutes, interessantes Gebäude. Der Klinker gefällt mir persönlich nicht, da ihm hier nur die Rolle des Wetterschutzes zugeschrieben wird, aber das ist Geschmacksache.

Was mich geärgert hat, ist, dass es nicht möglich gewesen sein soll, das ursprüngliche, im Krieg zerstörte Gebäude wiederherzustellen. Ein Paradebeispiel für die starre und vollkommen realitätsferne Gängelung durch das Baurecht. Hier werden (seit Jahrzehnten) schon Abstandsflächen gefordert, die weit übers Ziel von "gesunden Arbeits- und Wohnverhältnissen" mit "ausreichend Belichtung und Belüftung" hinausschießen. Den Beweis tritt die Vorkriegsarchitektur an.

Ein kurzer Check der Berliner Bauordnung hat mir nun gezeigt, dass die Abstandsflächenregelung für Dächer mit weniger als 70 Grad Neigung wohl mit der neuesten Ausgabe ersatzlos gestrichen worden ist. Das hieße nicht nur, dass selbst dieses Bauwerk so nicht mehr möglich wäre, sondern die Behörden bzw. die Politik ihrer bisherigen unnötigen Übervorsichtigkeit in Sachen Abstandsflächen auch noch einen draufgesetzt haben. Das ist unzeitgemäß und gerade für Berlin mit seiner Dichte ein Armutszeugnis.

6

Fritz Schröder | 09.01.2017 19:37 Uhr

gefällt

cooles Teil. Das würde ich gerne häufiger sehen in Berlin! Respekt.

5

Hans Merkel | 09.01.2017 19:04 Uhr

Moser, Moser

Diese Wutbürgerversammlung hier ist wirklich etwas albern, muss ich sagen. Ja, das Haus hat vielleicht seine Probleme, aber gleichzeitig ist es eben doch auch irgendwo toll, wie es da so nerdig in der Ecke rumsteht. Ist mir jedenfalls tausend Mal lieber als der typische deutsche Durchschnitt, der hier sonst so geboten wird. Und noch was: Man muss eben auch etwas üben dürfen, damit man so etwas irgendwann mal richtig hinbekommt. Mit solchen Mosertypen, wie sie hier rumhängen, entsteht allerdings nie ein spielerisches Klima, das solchen Versuchen Raum gibt. Und das ist einer der Gründe, warum es hier, im wirtschaflich stärksten Land Europas, architektonisch maximal trübe aussieht. Danke, ihr liebe Kollegen, ganz große Klasse.

4

hro | 09.01.2017 16:41 Uhr

Attika Detail

Bitte die Attika / Terrasse unbedingt nach Ablauf der Gewährleistung nochmals zeigen.
Wenn sich die Ziegelfugen langsam öffnen und sich die Steine lockern.

3

Kritiker | 09.01.2017 16:07 Uhr

Abstandsflächen

Das Ausloten und Ausreizen von Abstandsflächen ergibt städtebaulich noch lange kein gutes Konzept!
Der - an sich nicht unattraktive - Baukörper wirkt hier völlig daneben ( im wahrsten Sinne des Wortes ).

2

dd berlin | 09.01.2017 15:45 Uhr

oh je

Konzept hin oder her,

zum Thema Abstandsflächen hat man schon interessantere Lösungen gesehen,

hier kommt beim starren Festhalten einer Idee ein sehr plumpes Haus heraus,

es gibt eben doch ästhetische Gesetze, nach dem unser Auge Dinge schön findet, oder eben nicht,

das lässt sich leider nicht wegschreiben,

zumindest ist das Haus insofern konsequent, da auch die Grundrisse sehr starr und plump sind,



1

peter | 09.01.2017 15:45 Uhr

wie vom andern stern

dekadent und unmaßstäblich, und das auch noch mit allen technischen nachteilen, die ein "gemauertes dach" so mit sich bringt. das teil wird vermutlich in kürze schön verdreckt aussehen, der dachrand evtl. undicht, und das nur, um eine bauvorschrift auszutricksen?

vielleicht hätte es mit anderen materialien (metallfassade/-dach) und detaillösungen (einschnitte oder gauben statt der flächenfenster) weniger abgehoben gewirkt.

 
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