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09.06.2022

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Wachsen lassen

Wohnhaus in Schmergow von co now


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Sich ein ausgefallenes Eigenheim von einem Architekturbüro entwerfen zu lassen, ist kostspielig und kommt Durchschnittsverdienenden eher selten in den Sinn. Dabei appellierte schon Anne Lacaton an die Kolleg*innen, großzügige Räume zu den geringstmöglichen Kosten zu bauen – „mit einem Sinn für Wirtschaftlichkeit, der nicht auf Komfort und Schönheit verzichtet“, so formulierte es die Pritzkerpreisträgerin. Mit ihrem Entwurf für ein Einfamilienhaus im Brandenburgischen Schmergow knüpft das Berliner Büro c/o now nicht nur an ebendiesen Gedanken an. Sein Projekt, das den Titel Where the Wild Morels Grow trägt, greift auch das gestalterische Konzept von Lacaton & Vassal auf, die nach dem Haus-im-Haus-Prinzip Gewächshäuser ausbauten. Nach diesem Vorbild brachten c/o zwei Wohnebenen in einer industriell anmutenden Halle unter, die sich flexibel erweitern lassen.

Steigende Immobilienpreise und der Wunsch nach mehr Grün treiben derzeit viele aus Berlin ins Umland. Hier gibt es zwar Platz, aber kaum einzugsbereite Wohnhäuser. Deshalb entscheiden sich immer mehr Umzugswillige für den Kauf eines unbebauten Grundstücks. So auch eine Berliner Familie, die eine Fläche zwischen Potsdam und Brandenburg an der Havel fand. Das Problem: Trotz niedriger Grundstückspreise im 850-Seelen-Ort Schmergow blieb nur ein kleines Budget für das geplante Eigenheim. C/o now übersetzten die finanziellen Mittel der Familie in: entweder 70 Quadratmeter Beton – eine Überschlagsrechnung mit den Kennwerten des BKI – oder einen flexibel erweiterbaren Bau, der in Zukunft eine Maximalfläche von bis zu 400 Quadratmetern Nutzfläche einnehmen könnte.

Da die erste Option keine Verbesserung gegenüber der Berliner Wohnsituation bedeutete, entschied man sich für die zweite: Eine Bebauung, die eine Fläche von 200 Quadratmetern einnimmt und sich dem Budget angepasst über einen längeren Zeitraum ausbauen lässt. Dabei können Volumen nicht nur hinzugefügt, sondern auch entfernt werden. Der Clou: Durch die witterungsgeschützte Situation müssen keine speziellen Materialien verwendet werden, es muss auch nichts aufwendig abgedichtet werden. Entsprechend kostengünstig und einfach sind der Aus- und Weiterbau in Eigenleistung zu bewältigen.

Die nicht klimatisierte Halle wurde aus vorgefertigten Elementen in Holzbauweise errichtet und mit Trapezblechen im Wandbereich sowie Sandwichpaneelen im Dach verkleidet. Zusätzlich zu Belichtungs- und Belüftungsöffnungen lassen sich zwei große Schiebetore in Richtung Garten öffnen. Die 90 Quadratmeter bewohnbare Fläche ist auf zwei Ebenen angelegt. Hinzu kommen 65 Quadratmeter Terrassen(dach)fläche sowie 60 Quadratmeter Indoor-Garten. Derzeit wird die Dachfläche noch als vor den Kindern sichere Werkstatt benutzt, es gebe aber schon Ideen für ein kleines Gewächshaus für zum Beispiel ein Homeoffice, heißt es in der Projektbeschreibung.

Der Projekttitel nimmt nicht nur Bezug zur umgebenden Natur. Er verweist auch auf das Wachstum des Baus, der sich wie wilde Morcheln ohne Ordnungsprinzip und Einflussnahme der Architekt*innen weiterentwickeln wird. Denn das Projekt ist zwar abgeschlossen, der Ausbau geht aber weiter. So kommt auch der Gedanke von Lacaton & Vassal, die Bewohner*innen in den Umbauprozess miteinzubeziehen, in Schmergow zum Tragen. Zum Teil wurde dies schon in die Tat umgesetzt: Während das erste Schiebetor mit den Architekt*innen gemeinsam realisiert wurde, baute die Familie das zweite selbst. (dsm)

Fotos: Zara Pfeifer


Zum Thema:

Baunetz hat c/o now in der Baunetzwoche#589 interviewt.


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

5

alexander | 13.06.2022 17:19 Uhr

schönheit?

"mit einem Sinn für Wirtschaftlichkeit, der nicht auf Komfort und Schönheit verzichtet"

ähm...und was ist mit der schönheit?
ich meine nicht irgendeine intellektuell hergeleitete, sondern die spontan wahrgenommene.
ich kann an der hülle nichts schönes erkennen und finde, dass diese zwar ehrlicher ist als so ein spießer-bungalow, aber wenn ich als nachbar auf diese halle schauen müsste, würde ich krämpfe bekommen.

und von innen?
das schauen die bewohner auf die wunderbare, weil so ehrliche hallenkonstruktion?

nee, die idee dahinter ist durchaus lobenswert aber that´s all. (natürlich nur aus meiner bescheidenen nicht intellektuellen perspektive)...
cheers!

4

Spinnefink | 10.06.2022 08:52 Uhr

Toll!

Das sieht nach einem tollen Projekt aus, sowohl als Endprodukt, als auch bei der Planung und Umsetzung. Glückwunsch an alle Beteiligten!

Wirklich schade ist allerdings, dass bei einem Projekt, bei dem Wirtschaftlichkeit offenbar der wesentliche Parameter bei Entwurfs- und Ausführungsplanung war, weder in der Meldung hier, noch auf der Homepage der Architekten auch nur mit einer einzigen Zahl über die Baukosten informiert wird.

Das ist so, als würde ich über ein innovatives Fahrzeugkonzept berichten, bei dem durch diverse Einsparungen ein deutlich geringerer Energieverbrauch erzielt werden kann, ohne letztendlich eine Zahl zu nennen.

Was soll denn sowas?

3

SeineThemseSpree | 09.06.2022 17:29 Uhr

top

Super! Aber noch besser bzw. spannend wäre, ob das Konzept auch mit MFHs funktioniert.

2

GerdK | 09.06.2022 17:22 Uhr

Genius Loci

Hier wurde mal wieder das alte Konzept des genius loci congenial aufgegriffen...

1

50667 | 09.06.2022 16:57 Uhr

Der Ansatz ist richtig .....

.. aber wo zeigt sich hier die besondere Qualität ?

Hinter einer Nonkonformisten Hülle offenbar sich eine kleinbürgerliche Spiessigkeit irgendwo zwischen Schrebergarten und Campingplatz.

Das man sich selbst mit Lacaton und Vassal vergleicht zeugt von einem etwas ungesunden Selbstbewußtsein.

Ein gutes Skript alleine ist zu wenig ..

 
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