1.000 Wege führen zur Nachhaltigkeit, ließe sich angesichts ihrer komplexen ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Zusammenhänge sagen. Die zwei Tessiner Architekten Dario Franchini und Diego Calderon, die gemeinsam das Büro DF_DC betreiben, konzentrieren sich für ihren Wohnbau in Lugano auf eine hohe Lebensdauer. Unweit von ihren eigenen Büroräumen im Stadtteil Paradiso haben sie auf einem schwierigen Grundstück am Hang zwischen Verkehrsstraße und Bahngleisen ein fünfstöckiges Apartmentgebäude realisiert. Vornehmlicher Baustoff: der eigentlich gar nicht als nachhaltig geltende Beton.
Ihr Gebäude mit 14 Wohneinheiten, das die Architekten geradezu mutig fensterlos zur Straße hin abschotten, ist zunächst ein massives Betongerippe. Gehämmerte, leicht angewinkelte Paneele – ebenfalls aus Beton – füllen dieses Exoskelett zur Straße, raumhohe Fenster zu den Gleisen. Auf Höhe des 3. Stockwerks kippt das Gerippe mit seinen massiven Pfeilern nach außen, um ein auskragendes Element des darauf aufsitzenden Penthouses zu stützen. So lassen DF_DC auch die dahinter liegende Berglandschaft in ihr architektonisches Spiel mit einfließen.
Die von dem Exoskelett umschlossenen 2.000 Quadratmeter Wohnfläche kommen ohne weitere tragende Elemente aus. DF_DC legten es als äußerst beständige Struktur an, für die sie eine Lebensdauer bis zu 100 Jahren prognostizieren. Innerhalb dieses tragenden Systems ist lediglich die Versorgungstechnik festgelegt – für diese wird eine Lebensdauer von 50 Jahren angenommen –, alle anderen Räume sind flexibel nutz- und umgestaltbar. Die internen Wände sind aus leichtem Material oder Einbaumöbeln, um ohne großen Energieaufwand ausgetauscht werden zu können. Über sein Bestehen von (gewünschten) 100 Jahren hinweg soll das graue Gebäude nun seine graue Energie wieder grün wegbilanzieren. (sj)
Fotos: Simone Bossi
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Leo | 27.05.2021 19:05 UhrIm Ernst?
Nachhaltigkeit ist zu einem derartigen Wald-und-Wiesen-Begriff geworden, dass offenbar niemand mehr weiß, was damit eigentlich gemeint ist. Wenn nun sogar konventionelle Betonkonstruktionen (Zement steht wohlgemerkt für 8 Prozent der globalen CO2-Emissionen) als nachhaltig vermarktet werden, schlägt das dem Fass den Boden aus – vor allem, wenn das mit der bloßen Behauptung einer langen Lebensdauer begründet wird (die ohnehin nicht in die Hand der Architekten fällt). Immerhin hätte man durch Fenster zur Straße (die komplett abgeschottete Straßenfassade ist wirklich ein Highlight) doch noch etwas Beton einsparen können ;)