Die Realität kann vielschichtig sein – ebenso wie dieses Wohnhaus im arabischen Emirat Kuwait. Das „Wall House“ von dem spanischen Studio AGi architects (Madrid/Kuwait-Stadt) in Khaldiya, einem Vorort von Kuwait-Stadt, sollte auf keinen Fall das werden, was es zu sein scheint, der Titel wurde zum Programm. Auf den ersten Blick eine isolierte Festung, eine Insel hinter hohen Mauern, entpuppt sich das Gebäude hinter den Wänden als kommunikatives Labyrinth.
Offene Glasfassaden zeigen auch nicht mehr als ein Schauspiel, ein falsches Bild, aber auf keinen Fall die Realität, erläutern die Architekten Joaquín Pérez-Goicoechea und Nasser B. Abulhasan den Gedanken ihrer verschlossene Fassade. Das „Wall House“ funktioniere wie eine Schale, die jedem Bewohner Schutz bietet. In dieser 2.500 Quadratmeter großen Schale liegen vier Innenhöfe, um Licht und Luft in das Innere zu bringen. „Lichtoasen“ nennen die Architekten diese Höfe. Wer hier auf der Terrasse liegt, soll sich frei fühlen, nicht eingeschlossen. Dazu muss man wissen: Die Familie, die hier wohnt, hat drei Töchter – das Privatleben in Kuwait spielt eine andere Rolle als in westlichen Ländern.
Doch zurück zur Architektur: Wie von Origamihänden gefaltet, knicken sich die Wandscheiben aufeinander zu und ab, sie schlagen sich in die Höhe, um dann wieder abzufallen. Diese kleine Topographie aus den vier gefalteten Figuren thront auf einem Sockel im Erdgeschoss, der anders als die oberen Etagen nicht vertikal, sondern horizontal gemauert ist. Der Stein bestimmt das Bewusstsein.
Die wenigen Fenster zur Straße sind nach innen gesetzt und verschwinden etwa so in der Wand, wie man bei zu viel Sonne die Augen zukneifen muss. Konsequenterweise hätte man auf diese paar Fenster wohl auch verzichten können – oder wäre das Haus dann seinen Bewohnern zu unheimlich geworden? (jk)
Fotos: Nelson Garrido