Wie kann man als Architekt auf die zunehmende Versiegelung und Zubetonierung der Peripherie von Ho-Chi-Minh-Stadt reagieren? Insbesondere, wenn durch sie die traditionelle vietnamesische Beziehung von Mensch und Natur nachhaltig beeinträchtigt wird? Die Antwort kommt direkt, wirkungsvoll und elegant von Võ Trọng Nghĩa, der mit seinem Büro VTN Architects einer der führenden Vertreter der jüngeren vietnamesischen Architektur ist.
Das Binh House von 2016 gehört in eine Reihe von Projekten, die vor einigen Jahren mit dem House for Trees begann. Die Architekten suchen nach einem zeitgenössischen, verdichteten Bauen, das allerdings die spezifischen Bautraditionen des Landes fortschreibt. Das Einfamilienhaus, das drei Generationen als Wohnort dient, spielt mit wenigen, dafür aber starken Gegensätzen, die das Haus zugleich modern und zeitlos machen. Das Verhältnis zwischen Innen- und Außenräumen, zwischen Rückzugsorten und Austauschzonen und zwischen Pflanzen und Beton führt zu einem harmonischen und ausgeglichenen, aber auch fröhlichen und unerwarteten Resultat.
Natürlich wäre es naiv, würde man annehmen, dass solche Projekte alleine die Probleme der anhaltenden Urbanisierung Vietnams lösen könnten – und trotzdem muss man die konzeptionelle und kompositorische Klarheit des Projekts würdigen. Die Entscheidung, das Haus zwischen zwei Betonscheiben zu entwickeln, ruft dabei Erinnerungen an die formale Reduktion von Tadao Andos Reihenhaus in Sumiyoshi wach. Die Wände definieren nachdrücklich die Begrenzung zur Umgebung und geben die Entwicklung des gesamten Gebäudes vor, das allerdings – anders als bei Ando – mit etwas Abstand zur noch folgenden Nachbarbebauung stehen wird. Die Linearität der Architektur kann hier darum durch verschiedene eingehängte Volumen samt seitlicher Öffnungen aufgebrochen werden.
In diesen Volumen befinden sich allerdings nicht nur die privaten Zimmer der Familienmitglieder, ihre Dächer sind zugleich mit wuchernder Vegetation bepflanzt – sozusagen als Gärten im Haus, wie man in Anlehnung an die beliebte Haus-im-Haus-Metapher sagen könnte. Abgeschlossen werden die Volumen durch gläserne Schiebetüren, was für ein gewisses Maß an Durchlässigkeit sorgt. Die Lufträume zwischen den Volumen erlauben außerdem eine natürliche Ventilation, wobei die Pflanzen das Mikroklima nachhaltig verbessern. Die dienenden Programme des Hauses sind entlang der westlichen Außenwand positioniert, dadurch kann der übrige Grundriss offen bleiben. Auch entsteht so ein klimatischer Puffer zur Hauptsonnenseite des Hauses, weshalb die Klimaanlage oft ausgeschaltet bleiben kann.
Das Binh House verbindet auf diese Weise Funktionalität und Ästhetik, den Architekten gelingt es aber zusätzlich, eine der wichtigsten Versprechen der zeitgenössischen Architektur zu adressieren: Nicht nur das Verhältnis der Menschen untereinander zu verbessern, sondern auch ihre Beziehung zur Natur wieder zu stärken.
Text: Marta Busnelli
Fotos: Hiroyuki Oki und Quang Dam
Zum Thema:
Mehr über die Arbeit von Võ Trọng Nghĩa und die zeitgenössische Architekturszene des Landes auch in der Baunetzwoche#482: Vietnam vernakulär
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Tim | 01.08.2017 08:23 UhrGartenhaus
Einfach nur ein tolles Konzept! Präzise und doch geheimnisvoll umgesetzt. Der Schnitt zeigt die ganze Kraft dieses Entwurfs!