In Farnham, einem grünen Vorort südwestlich von London, hatte ein Ehepaar ein Eckgrundstück mit einem Bungalow aus der Zwischenkriegszeit erworben. Der Plan, das Gebäude energieeffizient umzubauen, musste aufgrund des schlechten Zustands verworfen werden. Das Paar engagierte Rural Office aus Carmarthen in Wales, ein Büro, das in den letzten Jahren in Großbritannien für eine charakterstarke Retro-Architektur voller lokalhistorischer Referenzen bekannt geworden ist. Die Herangehensweise an den Auftrag in Farnham ist für diese Architektur geradezu prototypisch.
Die Nachbarschaft des Neubaus ist eine Gartenstadt voller kleiner geschwungener Straßen, an denen sich meist freistehende Häuser hinter hohen Hecken, Zäunen oder Backsteinmauern dem Blick entziehen. Ein wohlhabender Vorort von London. Auch das Eckgrundstück war bereits von einer dichten Lorbeerhecke umschlossen. Diese Hecke wurde zu einem der Ausgangspunkte des Entwurfs. So konnte das Erdgeschoss mit großen Glasfronten geöffnet werden, die Hecke bietet genügend Privatsphäre. Darüber entwarfen die Architekt*innen ein wuchtiges Satteldach, dem die versetzt angeordneten Gaubenfenster und die weiß aufragenden Kamine einen Rhythmus geben. Von der Straße aus sind nur das Dach und die weiß verputzten Giebelseiten zu sehen. Als eine Referenz nennen Rural Office das Landhaus Munstead Wood von 1897, ein frühes Schlüsselwerk des britischen Arts-and-Crafts-Architekten Edward Lutyens. Es liegt eine halbe Autostunde entfernt.
Das Haus von Rural Office ist in diesem Sinne eine moderne Neuerzählung der Arts-and-Crafts-Architektur. Das zeigen schon die großen Fenster, die markanten Gauben und die schwungvoll ausgeschnittene Ecke an einer der Giebelseiten. Im Erdgeschoss laufen die Wohnräume zu einer zentralen Kaminhalle zusammen. Über eine Holztreppe sind von hier aus auch die privaten Wohnräume im Obergeschoss zu erreichen, welches Rural Office als „bewohntes Dach“ bezeichnen. Nach Westen konnten sogar zwei Schlafzimmer übereinander in das hohe Dach geschoben werden. Die tiefer liegenden Gauben wurden als Sitz- oder Arbeitsecken gestaltet, die höher positionierten lassen Licht in die Bäder und Flure fallen.
Die Materialpalette besteht – ebenfalls mit einem fröhlichen Augenzwinkern zur Arts-and-Crafts-Bewegung – aus fein verarbeiteten, aber einfachen und robusten Materialien wie Tonfliesen, Backstein und Holz. Ein Schlafzimmer liegt direkt im Erdgeschoss, weil den Bauherren eine vorausschauend barrierefreie Nutzung wichtig war. Schließlich planen sie, nun in diesem Haus alt zu werden. (fh)
Fotos: Jim Stephenson, Rory Gaylor
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arcseyler | 05.01.2024 16:07 Uhr......
Der massive vertikale Lichteinfall in die Treppenlobby gibt dem Schrägdach eine ganz neue Bedeutung als eine Art vertikale Steigerung. Von der Schließung zur Öffnung. Könnte man auch außen als schräge Lichtschornsteine inszenieren.