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02.10.2019

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Venturi in Oberbayern

Wohnhaus in Bad Tölz von Gerstmeir Inic


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Die Moralt-Siedlung in Bad Tölz ist eine kleine Anlage mit langen Grundstücken, auf denen nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem Vertriebene und Wohnungslose ein einfaches Haus mit Selbstversorgungsgarten bekommen konnten. „Mit viel Fantasie“, sagt der Architekt Thomas Gerstmeir, „ist der krautige Charakter dieser Gärtchen heute noch spürbar.“ Gemeinsam mit Siniša Inić betreibt er in München das Büro gerstmeir inić architekten. Für die Eltern einer Bauherrin haben sie auf dem vorderen Teil eines dieser langen Grundstücke ein bemerkenswertes Wohnhaus errichtet, dass sie auch als Hommage an Robert Venturi sehen. Venturi in Oberbayern?

In seinen Außenmaßen orientiert sich das Haus am Altbau, der wegen seiner sehr schlechten Bausubstanz und „unglaublich verbauter Grundrisse“ nicht zu erhalten war, so Gerstmeir. Mit dem Neubau ging es auch darum, auf knapp 80 Quadratmetern Grundfläche einen sinnvoll aufgeräumten Grundriss anzubieten und dem Grundstück im Zusammenhang mit dem Garten einen überzeugenderen Abschluss zu geben. Mit der Bauherrin war insofern rasch eine Einigung gefunden, dass es um ein einfaches Haus mit breitem Schaugiebel zur Straße ging – so, wie auch viele ältere Bauernhäuser der Umgebung ihre Giebel zur Straße zeigen.

Daraus entstand die Idee mit den zwei Gesichtern: Zur Straße zeigt der Neubau eine Putzfassade auf Mauerwerkswänden. Eine leichte Asymmetrie, der verspringende Sockel und die unterschiedlichen Fensterformate setzen die Lochfassade in Schwingung. Zum Garten hin ist das Haus ein Holzständerbau mit entsprechender Holzfassade. Wie die Andeutung eines möglicherweise noch kommenden Gartenhäuschens streckt sich ein Balken aus dem Haus in den Garten, wo er als offenes Spalier endet. Vorne wie hinten weckt der Neubau Assoziationen an robuste ländliche Typologien.

„Das Thema mit den zwei Gesichtern ist in unserem Büro beliebt“, erklärt Gerstmeir, „aber hier haben wir es mit den verschiedenen Bauweisen einmal besonders gründlich durchgespielt.“ Die Wände im Erdgeschoss und die straßenseitige Wand sind solide Mauerwerkswände, die Schnittstelle von Holz- und Steinbau verläuft also nicht „wie üblich an der Traufe, sondern an Stellen, die auch gut zu bauen sind.“ Gerstmeir Inić zeigen die Schnittstellen auch im Innenraum gern.

Aber was war mit Venturi? „Unsere Bauherrin war schnell vom First auf der kurzen Seite zu überzeugen, da die Raumausnutzung optimal war und der Garten sehr schön abgeschlossen werden konnte. Das Vanna Venturi Haus haben wir immer wieder als Beispiel herangezogen.“ Aber natürlich ging es nicht um eine Kopie. „Das Venturihaus ist ja ein ganzes Feuerwerk an Ideen. Das Wichtigste war grundsätzlich: Dass Venturi komplexe Häuser mit einfachsten Mitteln gebaut hat. Deswegen haben wir immer wieder ins Venturi-Buch gespickt.“ So entstand auch die Idee, das Obergeschoss als großen, offenen Raum zu konzipieren und das Bad, von zwei Seiten zugänglich, hinter den Treppenaustritt zu setzen. Oben auf dem Bad liegt unter dem Dachfirst sogar noch ein kleiner, gut verborgener „Speicher“. So bieten sich hier viele künftige Nutzungsszenarien – falls etwa statt der Großeltern hier einmal die Kinder wohnen wollen.

Text: Florian Heilmeyer
Fotos: Henning Koepke


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

8

E.S. | 08.10.2019 15:01 Uhr

@STPH

Bin da ganz bei Stephan. "Richtungsweisend" ist vielleicht etwas viel gesagt, aber es geht ja zum Glück nicht um die Frage ob Venturi oder nicht. Da haben die Kollegen nur einen schönen Hook, um die schreibende Zunft auf sich aufmerksam zu machen. Das Haus aber sieht elegant und leise aus, bezeht sich deutlich auf die Bauernhäuser Oberbayerns und macht alleine mit der Geste, das Dach übers Auto zu verlängern, einen deutlichen Hinweis an alle, dass gute Gestaltung ganz, ganz viel Sinn macht! Dann muss man nicht aus dem Fertigteilkatalog "ein Haus", "ein carport" und "ein Werkzeughäuschen" bestellen und das Mistzeug dann übers ganze Grundstück würfeln. Mir gefällts und ich hätte gar keine Probleme, hier zu wohenn...

7

STPH | 08.10.2019 10:03 Uhr

...

die Idee, eine Collage unter einem kräftigen, ortstypischen Archetyp - Alpindach mit Balkon - zu veranstalten, finde ich originell.
Diese Bindung, vielleicht wegen Baurecht, zur Freiheit zu benutzen finde ich richtungweisend. Das Darunter könnte sogar noch wilder sein, verdreht, mehr Materialien. Und das alles unter einer Holzziegelstruktur. ?

6

a_C | 07.10.2019 16:37 Uhr

Venturi als PR-Trick...

Warum verschwendet das Baunetz Platz für ein "Werk" auf so einem Niveau? Da kann ja jeder daherkommen und sein Missgeschick mit Venturi begründen.

Kann #4 nur beipflichten: Man kann das Hickhack zwischen Bauherren und Architekt hier so gut ablesen wie selten.

Gute Architektur ist NICHT, seine Bauherren zu jedem Käse, der einem nachts um Drei durch den Kopf geht, zu überreden - nur um dann im Kompromiss zu enden, wenn diese ihr Zugeständnis an den "Gestalter" wieder korrigieren wollen. Weil sie dort einmal leben. Weil sie die Rechnung zahlen.

5

geisenpeter | 07.10.2019 12:42 Uhr

venturi...

venturi wird im grabe rotieren...

4

mages | 07.10.2019 10:41 Uhr

unfertig...

Ich spekuliere mal anhand der Bilder: Das Gebäude ist das Ergebnis ein paar zuvieler Zugeständnisse an die (ständig neuen) Wünsche der Bauherren (Fenster zur Garage, zu niedrige Brüstung am Fenster, vor der der Esstisch platziert werden soll), Kostendruck (Fenster im Obergeschoss) und Zeitdruck, der keine besseren Details hat hervorbringen können?
Ansonsten kann man nur hoffen, das in diesem Haus nicht irgendwer mal Ruhe benötigt ohne Kinder, Enkel etc. wegschicken zu können, Bäder, Technikraum und Speicher als einzige Rückzugsräume erscheinen mir jedenfalls wenig attraktiv...

3

Lipski | 04.10.2019 13:19 Uhr

????

Was macht denn da am Grundriss Spaß? Absoluter Standard bzw. das EG sieht fast aus wie ein Umbau, so hutzelig sind die Räume. Und dann noch der knallhässliche Betonpfeiler an der Treppe unten. Das muss dan konzeptionell so sein und darf nur jaaaa keine Holzstütze sein? Also bitte.

2

Lars K | 04.10.2019 11:29 Uhr

Interessant. ABER:

Also ehrlich, ich wäre beim Anblick nicht auf Vanna Venturi gekommen. Ist das nicht etwas weit hergeholt? Macg ja sein, dass die Architektn immer mal wieder ins Venturi-Buch (welches?) geschaut haben, aber Vergleich drängen sich hier kaum auf. Zum Glück übrigens, denn für sich genommen macht das Haus Spaß, insbesondere bei den Grundrissen.
Mich hätte allerdings unbedingt die Seitenansicht interessiert. Wie stoßen denn da Mauerwerk und Holzbau aufeinander? Geht die Holzfassade bis zur Straßenfassade? Das ist doch ein ganz wichtiger Punkt. Schade, wenn sowas nicht gezeigt wird. Hat wahrscheinlich gute Gründe??

1

Knight Rider | 02.10.2019 16:00 Uhr

Bild 4 - Finde die Steckdose

;-)
Zwinker-Smiley

 
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Haus mit zwei Gesichtern: Putzfassade zur Straße und...

Haus mit zwei Gesichtern: Putzfassade zur Straße und...

...Holzfassade zum Garten.

...Holzfassade zum Garten.

In Verlängerung der Garage streckt sich ein offenes Spalier vom Haus in den Garten.

In Verlängerung der Garage streckt sich ein offenes Spalier vom Haus in den Garten.

Teils Mauwerk, teils Holzbau – das sieht man auch im Inneren.

Teils Mauwerk, teils Holzbau – das sieht man auch im Inneren.

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