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30.11.2021

Wenn Kommunarden selber bauen

Wohnhaus aus Recyclingmaterial in den Niederlanden


Weit im Norden der Niederlande, wo das friesische Land zwischen Amersfoort und Groningen flach ist wie ein Teller und schnurgerade Gräben die Äcker in ein rechteckiges Muster verwandeln, da liegt die Kommune „De Hobbitstee“. Es war nur eine Handvoll Menschen, die sich hier 1969 vier Hektar Ackerfläche kauften, um das Experiment einer Gemeinschaft auf dem Land zu wagen. Über 50 Jahre später gibt es „De Hobbitstee“ immer noch. Alles gehört der Gemeinschaft, alle Einkünfte kommen in die gemeinsame Kasse, das Essen ist vegetarisch, und viele Nahrungsmittel wie das Brot werden selbst gemacht und auf den Äckern angepflanzt.

Die meisten Bewohner*innen leben hier immer noch in umgebauten Bauernhöfen. Zum 50. Jubiläum wollte sich die Gemeinschaft ihren ersten Neubau schenken: Ein Gebäude, das so nachhaltig und zirkulär geplant sein sollte, dass es die Werte der Gemeinschaft ausdrücken könnte. Dafür sprachen sie Superuse Studios (Rotterdam) an, die sich über die letzten 15 Jahre einen hervorragenden Ruf als Recycling-Spezialisten aufgebaut haben (siehe auch die Baunetzwoche#48 „Architektur aus Müll“ von 2007).

Es ging darum, ein flexibles Haus zu entwickeln, das entweder von einer großen Wohngemeinschaft oder von bis zu vier Familien gemeinsam genutzt werden könnte. Der Bau sollte mit viel Eigenleistung errichtet werden können, aus lokalen oder regionalen Materialien, aus recycelten oder rezyklierbaren Elementen und insgesamt so energie- und wasserautark wie möglich sein. Dafür stand ein Budget von knapp 250.000 Euro zur Verfügung.

Superuse gründeten eigens für das Projekt eine eigene Abteilung namens „S.os – Superuse on Site“. Das Team zog nach De Hobbitstee und erstellte zunächst ein Inventar von möglichen Materialien in der Umgebung und analysierte den Bauplatz sowie auch die handwerklichen Fähigkeiten der Kommunarden. Selbst der Entwurf entstand zusammen mit der Kommune und den künftigen Bewohnern des Hauses. Eine Inspiration gaben die radikal-ökologischen „earthship“-Häuser des amerikanischen  Architekten Michael Reynolds.

Das Haus selbst ist ein einfacher Holzskelettbau, der wie die amerikanischen Siedlerhäuser im kollektiven Eigenbau errichtet wurde. Viele Details wurden in einem partizipativen Prozess erst während des Bauens entschieden. Klar war vor allem, dass der nördliche Teil als Holzbau und der südliche als großes Gewächshaus wie ein Wintergarten davorgestellt werden sollte. Die Konstruktion sollte auch für die Zukunft viele Ausbau- und Nutzungsvarianten bieten.

Das letztlich verwendete Material stammt aus unterschiedlichsten Quellen: Die Plastikfenster mit Zweifachverglasung gehörten ursprünglich zu einer Reihenhaussiedlung in der Nähe, die komplett modernisiert wurde; aus einer Gärtnerei in Venlo konnte ein altes Gewächshaus übernommen werden, das mit struktureller Verstärkung und Sicherheitsglas im Dach für Wohnzwecke fit gemacht wurde; 19 Holzbalken lagerten bereits auf dem Gelände der Kommune; ebenso ein großer Haufen Lehm, den ein Nachbar vor einigen Jahren auf das Grundstück gekippt hatte, und der nun mit Strohballen zusammen eine thermische Speichermasse im Boden und den Wänden bildet; das Sicherheitsglas stammt von der Baustelle einer Shopping Mall in Den Haag, wo es als Fehlproduktion aussortiert war; die Douglasien-Bretter für die Holzverkleidung wurden in einer nahen Baumschule gekauft. „Wir haben uns dann für eine vertikale Verschalung entschieden, in der die Linien der Dachverkleidung fortgeführt werden, was dem Haus sein elegantes Äußeres verleiht“, schreibt die Baugemeinschaft.

Durch die Eigenarbeit blieb letztlich trotz des geringen Budgets noch Geld übrig, um PV-Paneele aufs Dach zu setzen, die das Haus vollständig mit Energie versorgen können – der Wintergarten nutzt auch die tief stehende Wintersonne als Heizung. Denn eins ist klar: In diesem Haus ist ein einfaches Leben gut möglich, aber im Winter wird man wohl einen Pullover tragen müssen. Dafür ist durch die intensive gemeinsame Arbeit von Kommune und Architekt*innen ein eigensinniges Haus als gemeinschaftsförderndes Projekt entstanden. (fh)

Fotos: Denis Guzzo



Zum Thema:

www.dehobbitstee.org


Download:

Informationsbroschüre zum Green House

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