Rund vier Kilometer nördlich der Osloer Innenstadt scharen sich im Wohnviertel Tåsen Einfamilienhäuser in kleinen Gärten rund um die gleichnamige Station der T-bane-Linie 3. Darunter ist auch ein recht schlichtes Wohnhaus, das im Jahr 1939 errichtet wurde und nun eine formal nicht mehr ganz so schlichte Erweiterung erfuhr. Der Bauherr, ein Maler und Filmemacher, wünschte mehr Platz für seine Familie und beauftragte hierfür die Osloer Büro Vatn Architecture und Groma AS.
Die Entstehungszeit des Bestandes habe zur abgerundeten Form inspiriert. So sei „eine kurvenförmige Erweiterung als Spiel mit der Sprache der Moderne“ gewählt worden. Das geschwungene Volumen entspräche dem Charakter des ursprünglichen Hauses „und möglicherweise auch der Art und Weise, wie ein Anbau zu der Zeit, in der das Haus gebaut wurde, ausgeführt worden wäre,“ so die Architekt*innen. Poetisch, könnte man meinen, weshalb wohl auch der Projektname Dråpa gewählt wurde. Das Wort bezeichnet eine alte Versform, die laut Onlinelexikon eine Hauptform des hochmittelalterlichen, höfisch-skaldischen Preisliedes in der Altnordischen Literatur ist.
Zurück in die Gegenwart zeigt sich der dreigeschossige Anbau als kleines Spiel der Kontraste: Flachdach statt Walmdach, trapezförmiger Grundriss mit rundem Abschluss statt streng rechtwinkliger Struktur, großzügige Öffnungen statt kleiner Fenster. Hinzu kommt noch die Ausrichtung der weißen Holzlattung, die bei beiden Gebäudeteilen oberhalb des massiven Sockels ansetzt – beim Altbau klassisch horizontal und beim Neubau zeitgenössisch vertikal.
Der in den Hang gesetzte Erweiterungsbau nimmt im Hochparterre ein Wohnzimmer auf. Zwei Schlafzimmer sind im ebenerdigen Teil des Kellergeschosses untergebracht, ein weiteres Schlafzimmer im Obergeschoss. Dort gibt es außerdem eine Terrasse, die einen Blick über Oslo bis zu den Schären ermöglichen soll. Insgesamt sind 123 Quadratmeter hinzugekommen. Der Eingang zu den Häusern befindet sich im Osten, die Fuge zwischen den Gebäudeteilen nimmt eine schmale Treppe auf. Letztere erlaubt einen schnellen Zugang zum Garten. (sab)
Fotos: Johan Dehlin
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Christian Richter | 09.09.2024 12:24 UhrUnaufgergt und unentschieden
Ein charmante kleine Ergänzung, bei der sich die Architekten offensichtlich nicht ganz entscheiden konnte, ob sie den Altbau fortsetzen oder kontrastieren wollten. Die formale Anleihe an den bestehenden Erker, die Übernahme von Geschoss- und Traufhöhen, die Fassadenstruktur - da bedient sich dieser Anbau bei den vorhandenen Elementen. Der Kontrast wird in der runden Formensprache, dem etwas unglücklich wirkenden "Luftbalken", dem Panoramafenster im obersten Geschoss gesucht. Es ergibt sich ein unaufgeregtes, aber nicht ganz stimmiges Bild, das straßenseitig aufgrund der stimmigeren Größenverhältnisse gut, und auf der Gartenseite weniger gut funktioniert. Etwas irritierend ist der Anschluss an den Altbau (Bild 7+8). Nun, im Privatbau ist erlaubt was gefällt, und hier in der Osloer Vorstadt werden die kleinen Unstimmigkeiten niemanden ärgern. Gerade wenn sie den Blick auf die Schären erlauben.