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20.04.2023
Baugruppe in Baulücke
Wohnensemble von IFUB* in Berlin
Es ist schon ein paar Jahre her, da waren Baugruppen der letzte Schrei in Sachen experimenteller Wohnungsbau. Um die 2010er Jahre gab es vor allem in Berlin einen regelrechten Boom. So wurden diverse Häuser vorzugsweise auf den mittlerweile rar gewordenen Baulücken errichtet. Dabei entstanden nicht selten interessante Architekturen, die ihren Nutzer*innen bezahlbares Eigentum und die Teilhabe an der Gestaltung ermöglichten. Längst ist aber klar, dass die mit dem Prinzip Baugruppe anfänglich verbundenen Ansprüche an eine sozialgerechte und kiezverträgliche Nachverdichtung nicht immer erfüllt werden konnten. Ausgestorben ist die Typologie aber lange nicht, weder in mehr oder weniger umstrittenen Beispielen in Berlin noch in anderen Regionen.
Auch das junge Bürokollektiv IFUB* (München, Berlin, Heiligenberg) hat sich dieser Bauaufgabe vergangenes Jahr erfolgreich angenommen. Aus gutem Grund, denn zwei der Geschäftsführer*innen sind Teil der Baugruppe D2, die sich das Grundstück in der Neuköllner Donaustraße sichern konnte. Bestehend aus insgesamt 15 Parteien erwarb sie das circa 820 Quadratmeter große Grundstück vom Vorbesitzer, der seine dortige Werkstatt- und Garagenvermietung aufgeben musste.
Die schmale, in den Block gezogene Fläche bebauten die Architekt*innen mit zwei Gebäuden über rund 3.100 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Sie sind im besten Sinne gewöhnungsbedürftig, bringen allerdings auch die typischen Merkmale einer Baugruppen-Baulücken-Architektur mit. Das Vorderhaus passt sich genau in den Blockrand ein und folgt dabei dem Knick der Donaustraße. Mit dem hoch aufragenden Dach werden die unterschiedlichen Traufhöhen miteinander vereinbart und zudem das Giebelmotiv der Nachbarbauten neu interpretiert. Lochfassade und die mit Klinkerriemchen verkleidete Sockelzone tun ihr übriges, um sich harmonisch einzufügen, wie IFUB* schreibt.
Das Gartenhaus wiederum lehnt an eine langgezogene Brandwand im Hinterhof und verdankt seine Kubatur dem Umgang mit dem Baurecht. Durch die mehrfache Staffelung der Geschosse mitsamt umlaufender Terrassen wurden die Abstandsregelungen maximal ausgereizt. Die pyramidenartige Form erinnert dabei an ein Wohnhaus in einem anderen Berliner Hinterhof – trotz deutlicher Unterschiede in der Gestaltungssprache. Die Verwandtschaft zum Vorderhaus zeigt sich indessen nicht nur in der maximalen Ausnutzung der Baufläche, sondern auch der Materialität.
Am besten ist dies an der nördlichen Stirnseite des Gartenhauses zu sehen. Weil durch das dortige offene Treppenhaus weder ein zweiter Rettungsweg noch eine Zufahrt für die Feuerwehr nötig waren, profitierten davon sowohl die Wohnfläche als auch der Innenhof. Allerdings brauchte es nicht brennbare Materialien an allen Gartenhausfassaden. An der zum Vorderhaus gelegenen Seite finden sich daher die in buntem Grafikmuster verlegten und glasierten Klinkerriemchen wieder. Die übrigen Seiten sind mit Aluminium-Wellblech bekleidet, während die Fassade des Vorderhauses Lärchenholzbretter hüllen. Tatsächlich ergibt die recht eigenwillige Gestaltung der beiden Häuser ein stimmiges Bild. Lediglich die Brüstungen im Stile grober Bretterzäune wirken etwas gestelzt.
Für die Grundrisse verwendete IFUB* zwei unterschiedliche Strategien. Vorne können die Geschosse flexibel aufgeteilt werden: In zwei kleinere Wohnungen oder eine das gesamte Stockwerk umfassende Version. Im Hinterhaus liegen die unterschiedlich großen Einheiten aufgereiht entlang eines langen Flurs. Den Bewohner*innen wurden entsprechend ihrer Wünsche Wohnungen von 1,5 Zimmern bis hin zu Maisonetten mit sechs Zimmern zugeschnitten. Im Hochparterre gibt es sogar kleine Gärten. Bei der Innenraumgestaltung konnten die Nutzer*innen ihre persönlichen Vorlieben einfließen lassen. Auf Wunsch lieferten die Architekt*innen auch eigens entworfene Einbaumöbel.
Der Zugang zum begrünten und von jeglichen Müll- und Abstellflächen – die allesamt im Souterrain des Hinterhauses untergebracht sind – befreiten Innenhof erfolgt über einen zentralen Durchgang in rauer Betonoptik. Dieser führt von der Straße aus zwischen zwei vermieteten Gewerbeeinheiten nach hinten. Die für Baugruppen obligatorischen Gemeinschaftsbereiche findet man im Souterrain des Gartenhauses und auf den zwei Dachterrassen.
Die Fassaden sind in Holz ausgeführt, die Tragstruktur besteht ob der Schallschutzanforderungen aus Stahlbeton und Mauerwerk. Vier Jahre betrug die Bauzeit, die Kosten pro Quadratmeter (KG300/400) lagen letztlich bei circa 5.000 Euro netto. Die meisten Wohnungen werden von Mitgliedern der Baugruppe genutzt, einige wurden aber auch vermietet. (mh)
Fotos: Thomas Straub
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