Noch braucht es etwas Fantasie, um sich vorzustellen, wie diese Gegend in der südöstlichen Banlieue von Paris einmal aussehen soll: Wo Marne und Seine in Ivry-sur-Seine zusammenfließen, wird aktuell ein ehemaliges Industrie- und Gewerbegebiet zum Wohn- und Geschäftsgebiet ZAC Ivry Confluences umstrukturiert. Derzeit ist das Areal allerdings noch von viel Leerstand, einigen wenigen versprengten Wohnbauten und ein paar Gewerbehallen geprägt. Mittendrin stehen nun zwei neue, cremefarbene Wohngebäude mit 32 Eigentums- und 22 Sozialwohnungen. Der Entwurf des Ensembles stammt vom belgischen Büro BOB361 Architects (Anderlecht).
Die zwei turmartigen Volumen gehören zu den ersten fertiggestellten Projekte der neuen Stadtentwicklung. Daher wirken sie noch etwas verloren in diesem Umfeld, wo sich in Zukunft ein städtischer Park nach Nordosten und bis zum Ufer der Seine erstrecken soll. „Wir haben das Projekt als ein ‚Nest‘ entwickelt“, erklärt Architektin Goedele Desmet von BOB361. „Fürs erste bilden die beiden Türme einen kleinen, eher introvertierten Block, der aber in Zukunft seine direkte Nachbarschaft zu einem großen Naherholungsgebiet voll ausnutzen wird.“
Der höhere der beiden Türme steht am Boulevard du Colonel Fabien, einer vierspurigen, dicht befahrenen Ausfallstraße. Hier formten die Architekt*innen auffällige, zweigeschossige Einschnitte in die Fassade, die als eine Art Rahmen um die Balkone ein Gefühl von Abstand und Sicherheit für die Bewohner*innen schaffen sollen. Zum künftigen Park hin sind diese Fassaden-Nischen offen. Der niedrigere Baukörper präsentiert sich hingegen als nach oben abgestufter Baukörper mit nach Süden ausgerichteten Terrassen. Die Architekt*innen hoffen hier auf üppige Bepflanzung, sodass sich „schließlich hängende Gärten als Verbindung zur anschließenden Grünfläche bilden“.
Das als Gemeinschaftsraum mit doppelter Höhe und stellenweise großformatigen Panoramascheiben gestaltete Erdgeschoss sucht den Bezug zum umgebenden öffentlichen Raum. Es kann als Co-Working-Bereich oder Veranstaltungsraum für die Hausgemeinschaft dienen und wurde in der Hoffnung konzipiert, dass sich hier die Besitzer*innen der Eigentumswohnungen mit den Mieter*innen der Sozialwohnungen vermischen werden. Auf dem Metallgewebe, das den gesamten offenen Sockel umschließt, sollen Kletterpflanzen wachsen.
Gemeinsam ist beiden Türmen eine Fassade aus hellem Beton. Sie nimmt direkten Bezug auf einen benachbarten Wohnturm, der von 1963 bis 1967 nach Entwürfen des Atelier de Montrouge von Jean Renaudie für die staatlichen Elektrizitätswerke EDF errichtet wurde. Dieser in Sichtbeton ausgeführte EDF Tours steht heute als bekanntes Beispiel des französischen Brutalismus unter Denkmalschutz. BOB361 betonen, dass ihre zwei Neubauten mit Renaudies Turm ein Ensemble am Eingang des neuen Parks bilden sollen. (fh)
Fotos: Luc Boegly, Gilles Cohen, Fabrice Besson
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Latimer | 08.11.2023 18:19 UhrNest
Die Gebäude und auf den Fotos gezeigten Räume sind einfach cool und hoffentlich wie versprochen bald grün > gerne hätte ich die Grundrisse gesehen. Insbesondere die Erdgeschosszone überzeugt mich und wird sicher ein erfolgreicher Treff werden.
Die sogenannten Aussenanlagen sind aber in ihrem banalen Formalismus erschreckend und so kaum benutzbar. Wer ist dafür verantwortlich? Die Architekt:innen?