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04.05.2021
Grundrissexzentrik
Wohnen in Schlieren bei Zürich von E2A
„Shocked Face with Exploding Head“ ist der offizielle Name eines beliebten Emojis, mit dem sich trefflich ein gewisser Unglaube ausdrücken lässt. Und man liegt sicherlich nicht ganz falsch, stellte man sich jenes Emoji als Reaktion vor, müsste man die Grundrisse des jüngsten Geschosswohnungsbaus von E2A (Zürich) den Verantwortlichen einer durchschnittlichen deutschen Wohnungsbaugesellschaft präsentieren. So viel Komplexität und Dichte bei einer derart kleinen Grundfläche? Ist das überhaupt erlaubt?
Das Geistlich-Areal, auf dem dieser Neubau steht, liegt aber zum Glück nicht in Deutschland, sondern in Schlieren im Limmattal nahe Zürich. Und so dürfen wir an einem Wohnexperiment teilhaben, dessen radikale Organisation sich aus dem lärmbelasteten Standort in der Peripherie ergibt. Schlieren ist eine Gemeinde im Kanton Zürich und grenzt, gut erschlossen, westlich an die Großstadt an. Entsprechend hoch ist hier der Entwicklungsdruck, weshalb das Chemie- und Pharmaunternehmen Geistlich schon seit Längerem sein Stammareal direkt an der Bahnstrecke in ein Wohn- und Gewerbequartier verwandelt. Dieses Vorhaben ist Teil eines größeren Projekts namens Am Rietpark, zu dem auch das frühere Gelände einer Färberei gehört. Der Masterplan für das Geistlich-Areal stammt von EM2N und den Landschaftsarchitekten Studio Vulkan. EM2N haben hier ebenfalls einen Geschosswohnungsbau realisiert, ebenso wie Graber Pulver Architekten. Bereits 2015 gab es für einige der Baufelder einen Wettbewerb.
Der Siebengeschosser von E2A für die Geistlich-Immobiliengesellschaft sieht im Erdgeschoss Gewerbeflächen und einen Kindergarten vor, während darüber zu marktüblichen Mieten von circa 27 Franken pro Quadratmeter gewohnt wird. Auch das Dach ist in private Terrassen unterteilt, die frei hinzugemietet werden können – gewissermaßen als Reminiszenz an die Schrebergärten, die es früher auf einem Teil des Geländes gab. Der Stahlbetonskelettbau umfasst eine Bruttogrundfläche von 16.000 Quadratmetern. Die Materialisierung der Fassade lässt dabei an ein zeitgleich entstandenes Berliner Wohnprojekt von EM2N denken.
In Schlieren gibt sich der solitär platzierte Block auf zwei Seiten geschlossen, während er sich in Richtung Süden mit Balkonen und westlich zum Quartierspark hin mit einem eng gestaffelten Hof öffnet. Letzterer folgt einer verwinkelten Grundrisslinie, was die Fassadenoberfläche maximiert. Trotz der auch visuell spürbaren Dichte kann so ein gewisses Maß an Privatsphäre zwischen den Wohnungen und ihren tiefen Balkonen gesichert werden. Die Einheiten sind außerdem alle durchgesteckt, so dass man dem regen Treiben der Nachbarn im Zweifelsfall auch nicht komplett ausgeliefert ist.
Unabhängig vom hofseitigen Nutzen der Versprünge ergeben sich aus dem resultierenden Richtungswechsel im Grundriss spannende Raumfolgen und -zuschnitte. Über sechs Treppenhäuser betritt man die Wohnungen teils mittig im Grundriss und teils am Rand, geboten bekommt man aber immer eine gelungene Mischung aus weiten Durchblicken und geschützteren Ecken. Das ergibt eine Großzügigkeit, die man heutzutage im Mietwohnungsbau eher selten findet, wie man sie von Vorbildern wie Hans Scharoun aber durchaus kennt. (sb)
Fotos: Rasmus Norlander, Géraldine Recker, Martin Wey
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