Um es gleich vorwegzusagen: Unkonventionelle Ansätze waren unter den Wohnbauten des letzten Jahres die Ausnahme, und da sticht ein Haus wie das von Mount Fuji Architects Studio in Japan deutlich heraus. Mit Betonwänden und Holzkonstruktion stoßen hier zwei unterschiedliche Raumprinzipen aufeinander, wodurch das offene Wohnen im Erdgeschoss durch geschützte Räume auf der Zwischenebene ergänzt wird – kleine Leitern weißen dabei spielerisch den Weg.
Holz ist jedoch insofern ein gutes Stichwort, weil dieses Material seinen Siegeszug im vergangenen Jahr konsequent fortsetzen konnte: Sei es als einfache Lückenschließung in Berlin, als (kleines) Hochhaus in Amsterdam oder als wundersame Wohnskulptur in Prag. Auch Florian Naglers vielgerühmte Parkplatznachverdichtung in München besteht im Wesentlichen aus dem nachwachsenden Rohstoff, was zeigt, wie vielfältig und selbstverständlich er inzwischen eingesetzt wird. Naglers aufgeständerter Bau lag übrigens auch typologisch im Trend, denn in Frankfurt gab es ein weiteres Projekt, das über einer Parkfläche entstand – und es dürften in den kommenden Jahren noch mehr werden, spielte das Thema doch auch im Europan-Wettbewerb eine Rolle.
Etwas aus der Mode gekommen scheinen hingegen zwei andere Projektarten: Kleine Siedlungen gab es kaum und auch Reihenhäuser sind selten geworden, wenn man von schönen Beispielen aus Luxemburg und England absieht. Lediglich die genossenschaftliche Wohnanlage WagnisART in München entwickelt dahingehend neue Ideen, für die sie dann auch mehrfach ausgezeichnet wurde. „Together!“ könnte hier das Motto gelautet haben, das sich aber schon EM2N als Mitkuratoren einer Ausstellung in Weil am Rhein zum Titel gewählt hatten – mehr im Interview.
Neben Holz gab es mit Backstein ein weiteres Material, dass sich 2017 in einer überzeugenden Bandbreite zeigen konnte. Ein wunderbar zurückhaltendes Häuschen in den Niederlanden, zwei stattliche Wohntürme von Tony Fretton in Antwerpen, ein massiver Block in Kopenhagen oder ein exzentrisches Apartmenthaus in Washington – Klinker passen eigentlich immer. Beton hingegen, natürlich noch immer der Standard der Baubranche, kommt öfter explizit als Luxusprodukt zum Einsatz, wie stattliche Villen in Süddeutschland oder Vietnam zeigen.
Vor allem in der Schweiz, so scheint es, sind raue Betonoberflächen nach wie vor im Wohnungsbau anzutreffen. Angenehm eigensinnig kommt hier ein Wohnhaus aus Beton am Bodensee von Becker + Umbricht daher. Und Armon Semadeni demonstrieren das beispielsweise vorbildlich in Zürich, Wild Bär Heule in Winterthur und NOMOS in Genf. Das letztere Projekt zeigt ebenso wie die Blockschließung von Manuel Herz in Köln einen expressiven Fassadenaufbau, dessen Ähnlichkeit angesichts der parallelen Entstehungszeit aber reiner Zufall sein dürfte.
Luxus nicht nur hinsichtlich der Oberflächen, sondern auch als räumliche Setzung, dafür steht natürlich das Hochhaus, von dem es – angesichts globaler Verdichtungstrends wenig überraschend – zahllose Exemplare gab. Gediegen wurde die Typologie von Allmann Sattler Wappner in München interpretiert, mit dem Wind Tower in Kuwait entstand eine Kreuzung aus Turm und Hofhaus, in London war mit UNStudio demonstrativer Wohlstand angesagt und in Mexiko sind Scheiben von geradezu klassisch modernem Zuschnitt zu besichtigen. Etwas zurückhaltender hingegen das kleine Wohnhochhaus von Leinert Lorenz Architekten in Dresden, und in Berlin will eine Wohnungsbaugesellschaft sogar wieder Türme zum Mieten entwickeln – den Wettbewerb konnten LIN Architekten Urbanisten gewinnen.
Dass Hochhäuser nach wie vor nicht nur ein Luxus-Thema sind, daran erinnerte außerdem der diesjährige Mies van der Rohe Award für NL Architects und XVW architectuur, die mit ihrer sozialverträglichen Sanierung einer Scheibe in Bijlmermeer überzeugen konnten. Das Projekt zeigt außerdem, dass 2017 vielleicht weniger ein Jahr des Neubaus als des Umbaus war, mit zahlreichen Transformationen, in denen Silos, Salzlager, das Frankfurter Philosophicum oder eine Büroplatte in Berlin in Wohnraum verwandelt wurden. Billig sind solche Vorhaben meist nicht, aber zumindest in ökologischer Hinsicht etwas unbedenklicher. Und bei einem kleinen Projekt in Stuttgart wurde aus dem Thema sogar eine polemische Setzung über das Wohnen an sich, die man sich ruhig auch für das kommende Jahr zu Herzen nehmen darf. (sb)