Das Sozialbauviertel Rozemaai wurde in den 1970er Jahren nördlich von Antwerpen errichtet und zählt heute zum Vorstadtort Ekeren. Das Viertel liegt unweit des Industriehafens und wird auf zwei Seiten von der Autobahn und der Überlandstraße N114 begrenzt. Hinter dieser befindet sich der eindrückliche Landschaftspark Oude Landen. Der Bebauungsplan folgt den Prinzipien der CIAM und besteht aus einer Serie achtstöckiger Plattenbauten, die in einer offenen Parksituation angeordnet sind. Nicht alle Wohnungen verfügen über Balkone.
Das Viertel war in Verruf geraten, da aufgrund des Städtebaus wenig Interaktion zwischen den Häusern und so gut wie kein Sozialleben im öffentlichen Raum davor stattfand. Obendrein war die Bausubstanz der Plattenbauten schlecht, mangelnde Pflege seitens der Wohnungsbaugesellschaft schuf nicht die beste Stimmung bei den Anwohnern. Ein leerstehender 150 Meter langer Garagenbau entwickelte sich zudem über die Jahre als rege genutzter Drogenumschlagsplatz. Nach langen Diskussionen um Erhalt oder Abriss der Gebäude schrieb die Eigentümerin Woonhaven Antwerpen 2011 einen Wettbewerb für die Renovierung von immerhin zwei Plattenbauten aus.
Mit seinem Vorschlag, die beiden Volumia bis auf das Betonskelett rückzubauen und anschließend radikal umzuformen, gewann das Rotterdamer
Atelier Kempe Thill zusammen mit
osar architecten und
LAND landschapsarchitecten (beide Antwerpen) den Wettbewerb. Die Versprechen der Moderne von Licht, Luft und Grün interpretierten sie in Zusammenarbeit mit
RE-ST architecten (Antwerpen) zeitgenössisch und übersetzten sie auf Basis der erhalten gebliebenen Gebäudestruktur ins Heute. Der leerstehende Garagentrakt wurde abgerissen, die Treppenaufgänge und Liftanlagen der Gebäude neu organisiert und die Balkone beiderseits ergänzt. Eine raumhohe Verglasung bringt nun viel Licht in die Wohnungen. Die oberen Stockwerke erhielten zusätzliches Volumen für mehr vermietbare Fläche. An den Stirnseiten gibt es vier neue Treppenhäuser. In die bestehende Betonstruktur wurden über 50 Öffnungen geschnitten, um flexiblere Wohnungsgrundrisse zu ermöglichen. In den unteren Stockwerken wurden größere Wohnungen für Familien realisiert, die ebenerdig zugänglich sind. Auch der Außenraum wurde neu geplant.
Das Resultat ist mehr als nur eine extreme Überarbeitung der Wohnblöcke mit 107 Sozialwohnungen. Die Vorgehensweise kann als Leitbild für den Umgang mit Bausubstanz dieser Zeit herhalten. Aktuell werden Bauten jener Periode gerne mit dem Argument abgerissen, es sei zu teuer, diese auf aktuelle Standards zu bringen. Dabei bietet die Betonbauweise eine meist gute Ausgangslage für eine Transformation. Die Versprechen der Moderne sind heute aktueller denn je. Die trotz des größeren Arbeitsaufwandes anfallenden Kosten von 75 Prozent des Preises für einen Neubau sprechen eine deutliche Sprache. Auch im Zuge der Nachhaltigkeit dürfte das Projekt beispielhaft sein. 50 Prozent des Baumaterials, so die Architekten, konnten vor Ort recycelt werden.
(tl)
Fotos: Ulrich Schwarz, Berlin
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geo | 31.12.2023 00:58 Uhr@Max
Den Bildern zu urteilen liegen die Balkonplatten auf den "neuen" Trennwände der jeweiligen Einheiten auf. Diese sind auf den Bilder kaum wahrnehmbar weil rechts und links Glasscheiben platziert wurden um Windgeschützte Bereiche zu erhalten.Stimme aber zu. Sehr gelungen die Maßnahme.