Vergangenen Freitag wurde in Berlin-Mitte der Grundstein für ein Projekt mit ungewöhnlichen Dimensionen gelegt. Der geplante Neubau der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) erstreckt sich über 210 Meter Länge, die Planungen haben vor über zehn Jahren begonnen.
Von Florian Heilmeyer
Die Grundsteinlegung war nüchtern und pragmatisch, doch die Mitteilung der beiden Architekturbüros klingt so enthusiastisch, dass man sich fragt, ob Zweckoptimismus oder gar Sarkasmus mitgeschrieben haben: „Wir lieben dieses Grundstück! Denn nur selten kumulieren so viele hochaktuelle gesellschaftliche, soziale, ökologische und urbanistisch-architektonische Megathemen wie hier an einem Punkt! ... Schließlich geht es um historische Kontexte (Gründerzeit trifft Sozialismus trifft Moderne), innerstädtische Nachverdichtung, Alt und Neu, Anbauen, Weiterbauen, neue Nachbarschaften, hybride Baukörper, neue Mobilität, Belichtungsoptimierung, Lärmreduktion und vieles mehr!“
Vielleicht sei den Architekt*innen vom Büro LOVE architecture and urbanism und ArchitekturConsult aber auch ein wenig echte Begeisterung zugestanden. Immerhin kommt hier ein Projekt zur Realisierung, das vor fast zehn Jahren begann. Die WBM wollte den langen Parkplatzstreifen zwischen der Köpenicker Straße und dem Plattenbauriegel schon lange bebauen. 2014 endete ein Wettbewerb mit zwei ersten Preisen. Nach der Überarbeitung wurde im Dezember 2015 schließlich der erste Preis an LOVE vergeben. Im Rahmen der Wohnungsbauinitiative „Urban Living“ der damaligen Senatsbaudirektorin Regula Lüscher wurde das Projekt 2016 noch rasch zum exemplarischen Nachverdichtungsprojekt in der Berliner Innenstadt erklärt. Dann wurde es still um das Projekt.
Letztlich war es wohl doch produktives Schweigen. LOVE-Partner Mark Jenewein sagt, es habe vor allem mit dem gegenüberliegenden Kraftwerk geklärt werden müssen, wie dessen Betrieb innerhalb der geltenden Lärmschutzregeln mit den neuen Wohnungen juristisch in Einklang gebracht werden können.
Es gab außerdem kleinere Änderungen in der Nutzung: Zu den geplanten Gewerbeflächen im Erdgeschoss des langen, dreigeschossigen Riegels kamen Räume für Büros und Praxen hinzu. Im zwölfgeschossigen Turm sind jetzt Cluster-Wohnungen vorgesehen, auf maximal sieben Etagen könnten jeweils zwei davon entstehen. Insgesamt umfasst das Projekt 102 Mietwohnungen zwischen 56 und 120 Quadratmetern, davon 40 gefördert und 58 barrierefrei. Die Clusterwohnungen könnten bis zu 200 Quadratmeter groß werden, das wird sich allerdings erst mit der Belegung genauer planen lassen.
Im Zuge der Neuplanungen haben LOVE die Gliederung der Fassaden überarbeitet. In den Clusterwohnungen bekommen die privaten Rückzugsräume kleinere Fenster, die Gemeinschaftsflächen dagegen große Panoramascheiben. Manche erhalten an der Ecke des Turms eine eingeschnittene Loggia. Die Logik der beiden Fensterformate setzt sich am 210 Meter langen Riegel fort, um den Ensemble-Charakter zu bewahren.
Der Riegel ist um sechs Innenhöfe geformt und fast so lang wie der zehngeschossige Plattenbau dahinter, der zwölfgeschossige Turm antwortet auf sein ebenso hohes Plattenbau-Pendant weiter westlich am U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße. Die Fassaden aus diagonal gefrästen Faserzementplatten, die um 90 Grad gedreht montiert werden, sollen ebenfalls an die „rationale Ästhetik“ der Plattenbauten erinnern, in der Gestaltung aber „wesentlich raffinierter, filigraner und feingliedriger“ wirken. Die Fertigstellung ist für Dezember 2025 geplant. (fh)
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