Man kann über den Neubau an der Zürcher Langstraße von Penzel Valier (Zürich) eigentlich nicht berichten, ohne auf die Vorgeschichte des Ortes einzugehen. Sieben Jahre gab es in zwei baufällig pittoresken Häuschen an der Ecke zur Brauerstraße Kunst und Kultur. Unter dem Label Perla Moda fanden hier Ausstellungen, Konzerte und diverse Veranstaltungen statt, die den Kunstraum an Zürichs zentraler Ausgehmeile weit über die Limmatstadt bekannt machten. 2006 hatte der jetzige Bauherr die baufällige Liegenschaft erworben und der Kunstszene zu günstigen Konditionen die Zwischennutzung ermöglicht. Ab 2012 arbeiteten die Architekten an dem Projekt, von 2015 bis 2017 wurde der 16 Millionen Franken teure Neubau realisiert.
Typologisch orientiert sich das Projekt an den Wohn- und Geschäftshäusern des Quartiers. Deutlich wird dies beispielsweise am Übereck-Eingang zum Restaurant, der in dieser Form bei vielen älteren Bauten der Umgebung zu finden ist. Auch die Mischnutzung des fünfgeschossigen Hauses ist als Reaktion auf die zentrale Lage im Herzen von Zürichs Partyareal zu verstehen. Im Erd- und Untergeschoss wurden Gastronomie und Clubbetrieb untergebracht, das erste Obergeschoss ist auf Grund der Lärmbelästigungen als offene Büroetage angelegt, im zweiten und dritten Obergeschoss sowie im Dachgeschoss liegen elf Mietwohnungen, die sich größtenteils zum kleinen, kompakten Innenhof orientieren. Auch für die Innenausstattung des Gastronomiebetriebs waren die Architekten verantwortlich. Die Gestaltung erfolgte in Zusammenarbeit mit Ushi Tamborriello (Rieden bei Baden), die seit vielen Jahren den Gastronom Rolf Hitlt berät. Der hat in dem Neubau eine Filiale seiner vegetarischen Restaurantkette eröffnet.
Die Kubatur des Projekts geht an die Grenzen des rechtlich Zulässigen, was angesichts der lokalen Immobiliensituation nicht verwundert. Dementsprechend präsent steht das neue Haus an der Straßenecke. Doch die Fassade orientiert sich in ihrer schlichten Robustheit klar am urbanen Setting des Langstraßenquartiers. Graue Klinker, Betonbänder und das eloxierte Aluminium an Fenstern und Türen ergeben ein „farblich entsättigtes Gesamtbild, das je nach Wetter und Licht zwischen verschiedenen Graustufen“ changiere, wie die Architekten schreiben. Wer das Zürcher Wetter mit seinen wolkenverhangenen Regentagen kennt, weiß, dass hier kein gefälliges Stück Design entstand, sondern ein Stück Architektur, das an manchen Tagen auch mal rau und schroff wirken dürfte. Es zeigt sich darin aber auch das Bemühen, verschiedene gestalterische Elemente der Gegend aufzunehmen. Sowohl die Wohn- und Geschäftshäuser des frühen 20. Jahrhunderts als auch die sachlichen Bürobauten der Nachkriegszeit schlagen im Entwurf von Penzel Valier durch.
Dass es für den Neuzugang an der Langstraße nicht ganz einfach zugeht, zeigen die Ereignisse der letzten Monate. In der Lokalpresse und bei stadtpolitischen Aktivisten wurde das Haus zum Symbol der Gentrifizierung. Und im November gingen Teilnehmer einer Demonstration sogar gegen das Haus vor. Dass nur wenige Hundert Meter weiter im ganz großen Stil auf ehemals öffentlichem Grund der Schweizerischen Bundesbahnen Großinvestoren mit der Europaallee ein schickes und teures Büroquartier hochgezogen haben, bleibt bei solchen Aktionen seltsam ausgeblendet. Das einzelne Haus in prominenter Lage, das zwar einen Off-Space ersetzt, aber immerhin eine vorbildhafte Mischung bietet, zieht leider eher die Aufmerksamkeit auf sich. Nicht zu Unrecht betonen die Architekten außerdem, dass der private Bauherr die Zwischennutzung durch den Kunstraum überhaupt erst ermöglichte, indem er den baufälligen Bestandsbau zur Verfügung stellte. In den aufgeladenen Debatten um die Entwicklung der Innenstädte gehen solche Feinheiten immer wieder unter. (gh)
Fotos: Georg Aerni, Kuster Frey
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Wahlzürcher | 12.03.2018 12:13 Uhr@Hans Merks
Nun - die Proportionen von Fassadenöffnungen und Lukarnen wirken an diesem Ort doch recht grotesk. Auch wenn hier leider nur ein Foto den nachbarschaftlichen Zusammenhang andeutet und meine Formulierung klischeehaft sein mag.
Es sind sicher auch sehr saubere und schöne Details, die das Projekt auszeichnen - einfach an diesem Ort m.E. fehl am Platz, da für mich zu industriell.