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01.03.2018

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Gefährdete Ostmoderne in Potsdam

Wird auch das Restaurant Minsk abgerissen?


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Ein Kommentar von Dina Dorothea Falbe

Über den genauen Termin weiß man nichts, aber eines ist klar: Diese Tage wird der Stadtverortnetenversammlung Potsdam ein Abrissantrag für das ehemalige Terrassenrestaurant Minsk am Brauhausberg vorgelegt. Wenn sie diesem zustimmt, soll der Abbruch im März beginnen. Nach langen Jahren des Leerstands könnte das 1977 eingeweihte Gebäude jetzt plötzlich ganz schnell unter die Birne geraten. Nun sind Abrisse von Bauten aus den 1970er Jahren in Deutschland keine Seltenheit. Städte verändern sich und somit auch ihre Architektur. Trotzdem sind die kurzfristigen Abrisspläne für das Minsk in Potsdam eine besonders schlechte Nachricht: Auf Grund der bemerkenswerten baukünstlerischen Qualität, weil es ein Konzept zur Nachnutzung gibt und weil das Vorgehen der Stadt an dieser Stelle in einem bedenklichen politischen Zusammenhang steht.

Dass in Potsdam in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel neu gebaut wurde, ist bekannt. 2014 entstand der neue Landtag in Form des alten Stadtschlosses, im vergangenen Jahr konnten gmp Architekten ihr neues Schwimmbad blu am Brauhausberg einweihen. Die beiden Beispiele illustrieren die großen Potsdamer Architekturtrends: zum einen die barocke Rekonstruktion, zum anderen ein zeitgenössischer Neubau, der städtebaulich erschreckend unsensibel auftritt. Nicht nur Architekturkritiker Wolfgang Kil attestierte dem blu architektonische Mittelmäßigkeit – verglichen mit seinem schwungvollen Vorgängerbau aus der DDR, der neben dem neuen Klotz vorerst stehengeblieben ist und auf die Abrissbagger wartet.

Ostmoderne Qualitäten


Neben der ostmodernen Schwimmhalle am Brauhauberg steht das Terrassenrestaurant Minsk. Gemeinsam bildeten die beiden Bauten ein elegantes städtebauliches Ensemble in Hanglage, das den Aufstieg zur um 1900 errichteten ehemaligen Reichskriegsschule inszenierte, die später als SED-Bezirksleitung und nach der Wende bis zum Schlossneubau als Landtag genutzt wurde. Sowohl am Bau der Schwimmhalle als auch beim Minsk war unter anderem der Architekt Karl-Heinz Birkholz beteiligt. Der ikonische Bautyp der Schwimmhalle findet sich in ähnlicher Form beispielsweise auch in Dresden, das Minsk entwarf Birkholz jedoch standortspezifisch. Er komponierte die Ebenen in den Hang hinein und betreute die reichhaltige baukünstlerische Ausstattung durch Kunstschaffende aus Minsk – daher der Name der einst beliebten Ausflugsgaststätte mit Blick über die Stadt.

Die ehemals geordneten Terrassen- und Gartenanlagen rund um das Minsk sind heute zugewachsen. Nur mit viel Fantasie kann man sich heute, angesichts der durch Verfall und Vandalismus entstellten Bausubstanz, noch vorstellen, wie hier Feste gefeiert wurden. Doch es gibt viele Potsdamer, die sich an schöne Momente im Minsk erinnern und an dem Bau hängen. Potsdamer, die sich den Erhalt ostmoderner Bauten in Potsdam mindestens genauso sehr wünschen, wie andere vielleicht den Wiederaufbau barocker Bauten. Ostmoderne Bauten wird es aber, so befürchten aufmerksame Beobachter, in Potsdam bald nicht mehr geben. Gebäude wie das Kinderkaufhaus oder der Busbahnhof verschwanden noch ohne großen Protest. Nach dem Abriss des Hauses des Reisens 2009 aber gründete sich die erste Initiative zum Erhalt der Ostmoderne in Potsdam. 

Doch erst 2017 kochte die Stimmung hoch, und der Konflikt erreichte die überregionalen Medien. Niklas Maak besprach in einem langen Text in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die architektonischen Qualitäten der Fachhochschule am Alten Markt, weitere Fachleute kritisierten die Abrisspläne scharf – und trotzdem rollten noch im Herbst die Bagger an. Die Gartenanlage Staudenhof ist mittlerweile zerstört und die Entkernung der FH fast abgeschlossen. Das Grundstück der FH soll an Investoren verkauft werden, Büro- und Wohnhäuser mit einem geringen Anteil an Sozialwohnungen und nur kurzfristiger Preisbindung sind geplant. Kritiker sehen darin den Ausverkauf städtischen Bodens in der Potsdamer Mitte. Erhaltungsinitiativen legten der Stadt ein Kaufangebot vor, verbunden mit dem Konzept für ein „Haus der Stadtgesellschaft“ in der ehemaligen FH.

Die städtische Baupolitik

Auch die Fläche hinter dem Schwimmbad blu am Brauhausberg will die Stadt verkaufen. Die private Erhaltungsinitiative (re)vive Minsk legte ein Kaufangebot mit Nutzungskonzept für das Minsk vor: Neben einem Kulturcafé könnte im Minsk zukünftig auch eine Baugruppe Wohnungen beziehen. Architekt Falco Herrmann, der das bauliche Konzept mitentwickelt hat, erklärt, dass dieses Kaufangebot bereits sehr konkret ausgearbeitet und finanziell abgesichert sei – und begegnet so einem Kritikpunkt, den es beim Kaufangebot für die FH gegeben hatte. Anderseits, so Herrmann, sei es der Initiative (re)vive Minsk wichtig, zu betonen, dass es vorrangig um den Erhalt des Minsk ginge.

Die Stadt Potsdam macht es den Initiativen nicht leicht – man könnte sogar behaupten: besonders schwer – wirksame Strategien zu finden, die einen Erhalt der ostmodernen Baukultur ermöglichen. Der Präsident der Brandenburgischen Architektenkammer, Christian Keller, bemängelt in einem Interview beispielsweise, dass der Potsdamer Gestaltungsbeirat weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit tage und eine Zusammenarbeit mit der Architektenkammer dort nicht erwünscht sei. Wie kommt es eigentlich, dass sich – trotz gegenteiliger Expertenmeinungen – die institutionelle Denkmalpflege offiziell für keines der ostmodernen Architekturbeispiele in Potsdam interessiert?

Fotos: Vera Futterlieb, Barbara Plate, Jacoby, (re)vive Minsk


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

4

Hannes Stöhr | 02.03.2018 12:51 Uhr

Rechenexempel

Das Schicksal des Restaurants, ist aus meiner Sicht mit dem Kaufpreis besiegelt. Bei 27. Mio für alle 3 Lose nehme ich an ? Somit liegt der Kaufpreis pro qm möglicher GF bei Abriss des Gebäudes bei ca. 1300 Euro pro qm. Bei Herstellungskosten der Gebäude von 2000 Euro /qm liegt der Gesamtpreis schon bei 3300 Euro pro qm. Somit müssten die Wohnungen für etwa realistische Preise von min. 4.500 Euro/qm verkauft werden damit sich das ganze für einen Investor rechnet. Wenn das Gebäude erhalten bleiben soll, hätte man das Grundstückspaket also wesentlich billiger anbieten müssen oder die Sanierung zur Pflicht des Investors machen und ihm dafür einen günstigeren Preis anbieten müssen. Daher eine vertane Chance hier über eine Steuerung seitens der Stadt mit einer höheren Bewertung der eingereichten architektonischen Konzepte gegenüber des Kaufpreises ein interessantes durchmischtes Gebiet mit teilweise erschwinglicheren Wohnungen zu schaffen. Dem Investor ist an der Stelle kein Vorwurf zu machen.

3

topolski | 02.03.2018 10:59 Uhr

Investor

Das Angebot eines Investors im Dezember 2017 war wohl so hoch (27 Mio. EUR), dass die Stadt Potsdam damit das (architektonisch eher unterdurchschnittliche) Schwimmbad von gmp nachsubventionieren möchte. Wenn ein Investor so viel zahlt, wird er auch Druck ausüben, hier eine hohe Rendite zu erzielen - als Abriss aller 'lästigen' Bestandsgebäude. Gute Ideen zur Erhaltung von Bausubstanz, die sich zwar durchaus rechnen, aber für die Stadt weniger Profit abwerfen, fallen dann diesem Investitionsdruck zum Opfer. Klingt wie ein Automatismus - muss aber nicht sein, wenn die Stadt und ihre gewählten Vertreter langfristiger denken könnten.

2

Johann Maier | 01.03.2018 20:52 Uhr

Märchenstadt Potsdam

Wenn man durch Potsdam geht, hat man das Gefühl, in die Rekonstruktion einer vermeintlich heilen Welt geraten zu sein, einer Märchenwelt, in der alles, was nach nach Mies van der Rohe kommt, stört. Ja, und dass man sich für die Geschichte und die davon zeugenden Gebäude schämt.
Leider endet es immer mit dem Klischee, wonach derartige reizende städtebauliche Situationen Platz machen müssen für uninspirierten Mist.

1

d.teil | 01.03.2018 18:46 Uhr

Naja.....

Die gesamte Geschichte an sich ist bedenklich. Zugegeben. Aber ich muss als Berliner feststellen: es hapert bei diesen Gebäuden oftmals an guten Details/Materialen und deren Kombination.
Das ist dann architektonisch gesehen kein "Gesamtkunstwerk "- gutes Konzept hin oder her, denn die gibt es wirklich sehr oft zu beobachten. Soweit man diese städtische Ausgangslage mit einem Neubau verbessern würde, so kann dat Ding hier schon weg.

 
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Das Minsk und die Schwimmhalle bildeten ursprünglich ein elegantes städtebauliches Ensemble unterhalb der ehemaligen Reichskriegsschule.

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Das Restaurant wurde in die Ebenen des Hangs hineinkomponiert.

Das Restaurant wurde in die Ebenen des Hangs hineinkomponiert.

Ostmoderne Bauten sind für viele ältere Potsdamer identitätsbildend, doch vielleicht wird es in der brandenburgischen Hauptstadt schon bald keine dieser Bauten mehr geben.

Ostmoderne Bauten sind für viele ältere Potsdamer identitätsbildend, doch vielleicht wird es in der brandenburgischen Hauptstadt schon bald keine dieser Bauten mehr geben.

Die ehemals geordneten Terrassen- und Gartenanlagen rund um das Minsk sind heute zugewachsen und von Vandalismus gezeichnet.

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