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01.02.2017

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Kunst am Bau VIII: Und dann kommt Tinos Sängerin

Wie lässt sich Kunst am Bau dokumentieren?


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Wie viel Kunst-am-Bau gibt es eigentlich in öffentlicher Hand? Was wird aktuell gefördert? In Nordrhein-Westfalen sorgen diese Fragen für Kontroversen, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hingegen wird in zugänglichen Archiven festgehalten und offengelegt, in welche Kunstwerke öffentliche Mittel geflossen sind, beziehungsweise: in welche Gesangswerke. Denn auch eine Gesangsperformance kann Kunst am Bau sein. Und gerade diese ephemere und immaterielle Form der Kunst bedarf einer Dokumentation. Mit der Notwendigkeit einer systematischen Aufbereitung geht man in den einzelnen Bundesländern jedoch sehr unterschiedlich um

Von Annika Wind


Zweimal in der Woche, mitten im Gebäude der Dualen Hochschule in Stuttgart soll sie ab Februar 2020 auftreten, Tino Sehgals Sängerin. Dann soll sie einen Text von Martin Heidegger vortragen. Über Technik. So ist der Plan. Und dass er umgesetzt wird, steht längst fest: Denn auch das ist Kunst am Bau. Eine Frau, die in den nächsten 25 Jahren regelmäßig vor Studenten singen wird. Eine Performance auf Bestellung sozusagen. Mit Landesmitteln gefördert und schon bald dokumentiert und archiviert: Denn das Land Baden-Württemberg verzeichnet genau, was es an seinen Ämtern, Kliniken, Universitäten, Gerichtsgebäuden, Kultureinrichtungen und Justizvollzugsanstalten seit den 50er Jahren so alles an Kunst installiert, vermauert, gemalt und eingerichtet hat. 3700 Projekte sind in einer Datenbank verzeichnet. Das macht an die 5000 Kunstwerke, die der Landesbetrieb Vermögen und Bau in Stuttgart registriert hat.

Selbstverständlich ist das nicht, wie ein Blick auf andere Bundesländer zeigt: Denn die Maßgabe, von den Baukosten eines Landesgebäudes einen bestimmten Satz in Kunst zu investieren - in Baden-Württemberg sind es ein, in Rheinland-Pfalz zwei Prozent -, gibt es längst nicht überall. Und auch keine Verpflichtung, das bereits Bestehende zu dokumentieren. „Daran werden wir in nächster Zeit allerdings arbeiten“, sagt die Architektin Sabine Groß, die als Referentin für Landesbau im Mainzer Finanzministerium im Oktober 2015 eine Datenbank eingerichtet hat, „um ein größeres Bewusstsein für das Thema zu schaffen“. Künftig sollen hier alle Wettbewerbe und Kunst-am-Bau-Projekte erfasst werden, eine entsprechende Verwaltungsvorschrift ist gerade in Arbeit.

Das früheste Objekt in der Datenbank stammt aus dem Jahr 1957: „Die Liegende“ von Erwin Echternach vor dem Landgericht in Koblenz. Eines der jüngsten Kunstwerke ist eine Lichtinstallation von Anna Friedel am Institut für Physikalische Chemie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Derzeit sind 133 Arbeiten veröffentlicht. Aber wie viel Kunst am Bau gibt es eigentlich in Rheinland-Pfalz? „Die Frage ist genauso schwierig zu beantworten wie die nach ihrer Instandhaltung“, sagt Sabine Groß, die damit begonnen hat, bei den Bauverwaltungen entsprechende Unterlagen anzufordern und etwa bei Justizvollzugsanstalten abfragt, wer was wo besitzt. „Wir haben lange Listen“, oftmals sei nicht einmal klar, wer welches Werk geschaffen hat. Dem setzt Sabine Groß mit einer Mitarbeiterin nun ihr Engagement entgegen, fotografiert und dokumentiert. Das Problem ist allerdings: Erfasst werden zunächst nur Werke, die klar in Landesbesitz sind wie etwa an Universitäten – nicht aber Arbeiten an „Zuwendungsbauten“, die zwar mit Landesmitteln gefördert wurden, aber grundsätzlich den Kommunen gehören. Schulen werden dadurch gar nicht in den Blick genommen, ganz zu schweigen von der Kunst am Bau, die es an Privathäusern gibt.

Auch Peter Köddermann arbeitet an einer Internetseite. Allerdings versteht er die Homepage „Kunst und Bauen in Nordrhein-Westfalen“ eher als Plattform für interessante Projekte, denn als Bestandsaufnahme mit Anspruch auf Vollständigkeit. „Das Thema hat nur wenig Unterstützung aus der Politik, dabei gehört es zu den baupolitischen Zielen des Landes“, sagt der Projektleiter des Museums für Architektur und Ingenieurkunst (M:AI) in Gelsenkirchen. Das Aufgabenfeld liege zudem nicht mehr bei den Ministerien, sondern in der Kunstsammlung NRW, in der eine eigene Stelle dafür eingerichtet wurde. Dabei müsse vor allem in den Ministerien ein Bewusstsein für die Bedeutung von Kunst am Bau gefördert werden – vor Ort. Und auch eine Quote wie sie in anderen Bundesländern existiert, gibt es in NRW nicht mehr. „Seitdem können sich Bauherren frei entscheiden, ob sie überhaupt in Kunst am Bau investieren“, sagt Köddermann. Die meisten seien dagegen - zu aufwändig erschienen ihnen Ausschreibungen und Wettbewerbe. Zudem argumentierten viele damit, die Mehrkosten für die Kunst dann auch auf die späteren Mieter umlegen zu müssen. „Bauprojekte sind heute eben immer mehr auf Effizienz ausgerichtet“, sagt der Kurator des M:AI. Denn Kunst am Bau habe eben keine Folgefunktion - gerade das allerdings macht sie für die Kultur so wertvoll…

Mit diesem Beitrag von Annika Wind schließt die achtteilige Reihe zur Kunst am Bau. Wind ist Kunsthistorikerin und als Kulturredakteurin und Autorin auf die Themen Kunst und Architektur spezialisiert. Seit 2011/12 lehrt sie das Fach Kunstkritik an der Universität Heidelberg.




Alle Teile der Serie Kunst am Bau

I: Zwischen Staatsauftrag, Marketing und Feigenblatt
II: Das verdammte Image
III: Eine luxuriöse Verbindung
IV: Blühender Beton im Abriss
V: Maß und Übermaß
VI: Manchmal ist schon alles weg
VII: Warten auf Godot
VIII: Und dann kommt Tinos Sängerin


Zum Thema:

Kunst am Bau an Landesbauten in Rheinland-Pfalz wird hier dokumentiert:
www.kunstundbau.rlp.de

Infos rund um das Thema Kunst-am-Bau in Nordrhein-Westfalen veröffentlicht das Museum für Architektur und Ingenieurkunst auf seiner Internetseite:
www.mai-nrw.de/ausstellungen-und-projekte/kunst-und-bauen-in-nrw/

Kunst-am-Bau-Projekte des Landes Baden-Württemberg und aktuelle Ausschreibungen kann man hier nachlesen:
www.vermoegenundbau-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Ueber+uns/Kunst+am+Bau


 
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