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20.06.2012

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Die Verfremdung

Wettbewerbe am Schinkelplatz in Berlin


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Es ist ein besonderer Bauplatz in Berlin und damit keine einfache Bauaufgabe – allen gerecht werden kann man an dieser Stelle sowieso nicht. Zwischen der Bauakademie und der Friedrichswerderschen Kirche am Schinkelplatz soll gebaut werden, zwei neue Wohn- und Bürogebäude sollen hier entstehen. Nun wurden die dazu ausgelobten Wettbewerbsverfahren entschieden. Die Jury wählte aus sieben der eingeladenen internationalen Wettbewerbsteilnehmer für das Bürogebäude auf der Teilfläche südlich der Neuen Kommandantur folgende Preisträger:  

  • 1. Preis (6.000 Euro): Volker Staab Architekten, Berlin
  • 2. Preis (5.000 Euro): Grüntuch Ernst Architekten, Berlin
  • 3. Preis (4.000 Euro): Léon Wohlhage Wernik Architekten, Berlin

Acht eingeladene Büros sollten Entwürfe für insgesamt vier Wohngebäude mit gewerblicher Nutzung der Erdgeschosszonen an der Niederlagstraße und am Schinkelplatz erarbeiten; hier konnten folgende Architekten durchsetzen:

  • 1. Preis (6.000 Euro): Bruno Fioretti Marquez Architekten, Berlin
  • 2. Preis (5.000 Euro): Steidle Architekten, München
  • 3. Preis (4.000 Euro): Klaus Theo Brenner, Berlin

Während die Berliner Zeitung die Entscheidungen schon heute reißerisch mit „Eine intellektuelle Frechheit“ betitelt und sich damit auf ein Zitat von Gerhard Hoya (Gesellschaft „Historisches Berlin“) bezieht, findet Regula Lüscher andere Worte. „Die prämierten Beiträge setzen die anspruchsvolle Aufgabenstellung in besonderer Weise um und geben eine sehr gute Antwort auf das durch repräsentative Solitäre geprägte Umfeld“, lobt die Senatsbaudirektorin. „Für die hohe architektonische Qualität bürgen auch die bereits realisierten Entwürfe der Preisträger.“

Vor allem die Fassaden sorgen für Aufregung. „Die Fassaden folgen der traditionellen Dreiteilung in Sockel, Mittelzone und Dachgeschoss“, erläutern Staab Architekten ihren Entwurf. „Die massive Ausbildung der Sockelzone mit steinernen bossierten Oberflächen ist ebenso prägend wie eine größere Feinheit und Kleinteiligkeit mit zunehmender Höhe. Öffnungen in der Mittelzone werden als hochformatige Einzelfenster ausgebildet, deren Format und Größe sich ebenfalls mit zunehmender Höhe verändern. Die Lochfenster werden mit steinernen Leibungsverkleidungen optisch vergrößert. Diese Qualitäten sollen nun in adaptierter Form auf den Neubau am Schinkelplatz übertragen werden. Die Fassadengestaltung erfolgt mit minimalen Gestaltmitteln, allein die Differenzierung zwischen reliefierten und glatt geschliffenen Flächen, den Fensterleibungen sowie den Fenstergrößen genügt, um die oben beschriebenen Gestaltregeln zeitgemäß umzusetzen. Die neue Fassade erscheint auf den ersten Blick als klassische Lochfassade mit Stuckrahmen, entpuppt sich jedoch bei näherer Betrachtung als vielschichtiger.“

Bruno Fioretti Marquez Architekten erläutern ihr Entwurf so: „Die Gebäudefassaden werden durch den souveränen ruhigen Rhythmus der großzügigen Fensteröffnungen gegliedert. Die klassischen ornamentalen Elemente der Gründerzeitfassaden werden auf ein reines Schattenspiel reduziert, welches die Gesetzmäßigkeit des Materials Putz widerspiegelt. Abhängig von Sonnenstand und Blickwinekl wird die Fassade enttweder als abstrakte oder als unscharfe Abzeichnung vertrauter Gebilde wahrgenommen. Die Verfremdung des herkömmlichen Bildes schafft eine besondere Wahrnehmung der Berliner Fassade. Sie soll gesehen und nicht einfach nur wiedererkannt werden.“

„Das Preisgericht empfiehlt, den ersten Preisträger der Gruppe Bürogebäude mit den weiteren Planungsleistungen zu beauftragen“, heißt es in der Presseerklärung der Senatsverwaltung. „Für die Gruppe Wohngebäude soll entsprechend der Empfehlung des Preisgerichts der erste Preisträger mit den weiteren Planungsleistungen für die beiden Wohngebäude am Schinkelplatz sowie das südliche Wohngebäude an der Niederlagstraße und der dritte Preisträger mit den weiteren Planungsleistungen für das nördliche Wohngebäude an der Niederlagstraße beauftragt werden. Damit soll den unterschiedlichen städtebaulichen Situationen Rechnung getragen werden.Während am Schinkelplatz eine größere Maßstäblichkeit angemessen ist, soll entlang der Niederlagstraße eine kleinteiligere Bebauungsstruktur entstehen.“

Ab dem morgigen Donnerstag, 11 Uhr,  werden alle prämierten Entwürfe im Roten Saal der Bauakademie, Schinkelplatz 1, 10117 Berlin ausgestellt. Sie sind dort täglich von 12-18 Uhr bis einschließlich 28. Juni 2012 zu sehen.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

7

epma | 28.06.2012 18:43 Uhr

Zurückhaltung

K der Kahle hat etwas getroffen:
"diese vermeintliche zurückhaltung der nun entstehenden architektur ist in ihrer gestaltungs und konstruktionswahl unehrlich."
Wir ehren nicht die Architektur der Bauakademie, in dem wie eine gelochte Rasterwand drumherum bauen und dazu Zurückhaltung sagen.
Wir wollen keine Übertreibungen, keine historische Kulissen, nichts Wucherndes.
Aber die Moderne hat mehr Mittel - auch in der Zurückhaltung - als hier gezeigt sind. Die Fassaden haben keine Spannung, sie erzählen nichts. Das, was uns Architekten als letzte Domäne geblieben ist, wird nicht genutzt. Proportion, Dominanz, Ambivalenz, Kontrast... Es ist erbärmlich, an diesem Ort Brüstungen und Wandflächen im gleichen Verhältnis vorzuschlagen. Das hat der Ort der Bauakademie nicht verdient. Wir brauchen in der Zurückhaltung subtile Raffinesse.
Ist es verwunderlich, wenn die Bevölkerung nach historischen Kulissen schreit?
Es gibt wirklich eine Modern ohne Rekonstruktion, ohne Ufos! Strengen wir uns an.

6

karl der kahle | 23.06.2012 08:05 Uhr

fad

das ergebnis ist schon etwas entäuschent. das mag ganz nach sicht der dinge anspruchsvolle architektur sein und nach sicht der dinge wurde gewiss auch der "genius loci" beherzt. aber aus irgendeinem grund scheint die stadt nicht in lage zu sein, zu erkennen, was für eine austrahlungskraft sie derzeit weltweit genießt. die architektonische antwort darauf ist jedenfalls das totale gegenteil davon und im grunde ein verrat an das, was berlin gegenwärtig auszeichnet. stadtgestalterisch wird so jedenfalls kein zitat zur gegenwärtigen epoche und dem gesit der stadt gegeben, nur eine haltung dazu. mit dieser haltung tut jedenfalls auch der alten bauakademie - im besonderen der idee der architektur - keinen gefallen. diese vermeintliche zurückhaltung der nun entstehenden architektur ist in ihrer gestaltungs und konstruktionswahl unehrlich.

5

peter | 21.06.2012 17:36 Uhr

schinkelplatz

die jungen kreativen köpfe für berlin?
die bleiben natürlich draußen vor der tür, erfüllen sie doch nicht das anforderungsprofil für die zulassung zum wettbewerb...

(falls es jemand noch nicht gemerkt hat:) junge kreative architektenköpfe haben es mehr als schwer in diesem unserem lande. sie werden quasi von amts wegen mundtot gemacht und sollen sehen, woher sie ihre aufträge holen. aus wettbewerben jedenfalls nicht, da werden nur büros mit entsprechenden referenzen, jahresumsätzen und preisgekrönten bauten zugelassen. das ergebnis sehen wir hier.

die chance, per los in die gruppe "junger und kleiner" büros reinzurutschen ist mehr als gering.

nur OFFENE WETTBEWERBE geben jungen, fähigen und kreativen kollegen eine chance, ihr können unter beweis zu stellen. wenn man ihnen aufgrund mangelnder referenzen am ende nicht zutraut, ihren siegerentwurf fachgerecht in die tat umzusetzen, kann man doch als auslober im anschließenden vof-verfahren auf die hinzuziehung eines erfahrenen partnerbüros (z.b. bildung einer arge für lph 5-8) bestehen. wo ist das problem?

warum macht das keiner?

4

moco | 21.06.2012 17:01 Uhr

tja

die jungen kreativen köpfe dürfen in so einer erlauchten runde nicht teilnehmen ... die zugangsvoraussetzungen verhindern das ...

3

Oli | 21.06.2012 16:30 Uhr

@architekt

Gehen wir aufgrund der bisherigen Bauten von Staab Architekten einmal davon aus, dass auch hier höchste Detailbaukunst entstehen wird, gehen wir weiter davon aus, dass immer noch gilt "Nur wer viel kann, kann auf Wenig reduzieren", und gehen wir drittens davon aus, dass Staab Architekten den Gedanken des berühmten Nachbarn Schinkel mit seiner für damalige Verhältnisse ausgesprochenen Reduziertheit (eine wand, paar löcher...) weiterführen, so ist dies ein ganz wunderbarer Entwurf.

2

Lars W | 20.06.2012 16:30 Uhr

Made in Berlin

Wo bleiben nur die jungen kreativen Köpfe für Berlin?

1

auch ein | 20.06.2012 15:47 Uhr

architekt

"Die Fassadengestaltung erfolgt mit minimalen Gestaltmitteln"

eine wand, paar löcher,ein grosses für den eingang...dach drauf, mal flacher mal steiler,
fertig is die laube
und grau grau grau...

berlin eben

 
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