In Stuttgart wurde ein Wettbewerb für den Umbau der 1933 geweihten und wenig später überformten, denkmalgeschützten Brenzkirche entschieden. Die Beteiligten zeigen sich äußerst zufrieden mit dem Siegerentwurf, der Juryvorsitzende sprach von einem Glücksfall.
Von Friederike Meyer
Der Standort ist prominent, die Baugeschichte bemerkenswert. Als Nachbarin der Weissenhofsiedlung entstand die Brenzkirche 1933 nach Plänen von Alfred Daiber im Stil der neuen Sachlichkeit. Doch 1939 wurde sie bereits überformt. Im Rahmen einer „Entschandelungsmaßnahme“ ließ der Architekt Rudolf Lempp im Auftrag einer sich dem NS andienenden Kirchenleitung aus Rundungen Ecken werden, aus dem Pultdach ein Satteldach. Renovierungen folgten 1947, 1953 und 1968, seitdem altert die Substanz vor sich hin. Seit Jahren möchte die Gemeinde um Pfarrer Karl-Eugen Fischer ihr Haus erneuern und an die heutige Arbeit anpassen. Doch genau das birgt Diskussionspotential, da die Denkmalpflege eben gerade auch den Prozess der Überformung aus dem Jahr 1939 unter Schutz gestellt hat. Und deshalb bewegte sich lange nichts.
Jetzt aber naht das Präsentationsjahr der IBA’27. Zum 100-jährigen Jubiläum der Weissenhofsiedlung will sie ebenda ihre Projekte für die StadtRegion Stuttgart zeigen. In diesem Rahmen wurde vor einem Jahr ein städtebaulicher Ideenwettbewerb entschieden, weiterhin ist ein Besucherzentrum für die Gäste der Weissenhofsiedlung gegenüber der Kirche in Planung. Aus diesem Grund hatte sich die IBA auch für einen Wettbewerb zur formalen und funktionalen Neugestaltung der Kirche stark gemacht. Diesen lobte sie schließlich gemeinsam mit der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart als internationalen Realisierungswettbewerb mit Ideenteil aus. Das Preisgericht unter Vorsitz von Wolfgang Riehle, das am 21. Juni 2023 tagte, vergab unter den 15 eingereichten Entwürfen folgende Preise:
- 1. Preis: Wandel Lorch Götze Wach (WLGW) (Frankfurt am Main)
- 2. Preis: architekturstudio prinzmetal (Köln/Stuttgart)
- 3. Preis: Arge Klumpp + Klumpp Architekten/ Von M Architekten (beide Stuttgart)
- Anerkennung: AAg Loebner Schäfer Weber (Heidelberg)
- Anerkennung: schleicher.ragaller (Stuttgart)
Der Entwurf von WLGW mit dem Titel „Palimpsest“ schlägt nun eine weitere Zeitschicht vor. Demnach sollen die Ideen von 1933 mit Flachdach und liegenden Fensterformaten und der einst runden Ecke zur Straße wiederhergestellt und sämtliche Satteldächer rückgebaut werden. Die neue Fassadengestaltung würde den Rückbau ablesbar lassen, indem sie die Dachsilhouetten durch Materialwechsel nachzeichnet. Die Treppenhausfenster und die Glocken im neu erhöhten Turm sollen wieder freigelegt und die Blindfenster an der Ostfassade beibehalten werden.
Der Quertrakt im Süden, in dem bereits drei Wohnungen untergebracht sind, soll um Raum für zwei weitere Wohneinheiten aufgestockt werden. Schließlich würde das neue alte Flachdach als Terrasse nutzbar werden und den Sichtbezug zur Umgebung ermöglichen.
Die Freude über das Wettbewerbsergebnis war den Anwesenden auf der Pressekonferenz deutlich anzumerken. Der Siegerentwurf sei ein einfühlsamer, identitätsstiftender Glücksfall mit hohem Wiedererkennungswert und Entwicklungspotenzial zu einer einladend offenen Kirche mit variablen Nutzungen, sagte der Juryvorsitzende Wolfgang Riehle. Der Vorsitzende der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart Christian Schwinge sieht im Siegerentwurf eine „architektonisch anspruchsvolle und harmonische Kombination aus Umgang mit dem Bestand und Weiterentwicklung der Brenzkirche, die gleichzeitig die Formensprache der ursprünglichen Kirche deutlich sichtbar macht und dies mit modernen Elementen ergänzt“. IBA’27-Intendant Andreas Hofer ließ im Nachgang mitteilen, der Siegerentwurf sei „das mit Abstand beste Projekt im Wettbewerb“. Die heikle Aufgabe, die das Kulturdenkmal Brenzkirche den Entwerfer*innen gestellt habe, sei hier mit „großem Respekt und hoher Sensibilität“ gelöst worden.
Weg frei also für eine schnelle Umsetzung? Die Dialogveranstaltung in der Brenzkirche am 26. Juni, zu der die Evangelische Akademie Bad Boll gemeinsam mit der IBA’27, dem Förderverein Brenzkirche und der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart im Rahmen des IBA’27-Festivals eingeladen hatte, zeigte das große öffentliche Interesse an dem Vorhaben. Wenn alle an einem Strang ziehen, könnte der Umbau im IBA-Präsentationsjahr 2027 vielleicht schon abgeschlossen sein. Als nächstes stehen die Abstimmungen mit den Fachbehörden an.
Zum Thema:
Alle eingereichten Entwürfe sind ab dem 5. Juli in der Brenzkirche, Am Kochenhof 7, 70192 Stuttgart ausgestellt.
BauNetz ist Medienpartner der IBA'27 StadtRegion Stuttgart.
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