Auch die Italiener lieben Abkürzungen, und wenn eine Nutzung ehemalig ist, kommt ungerührt ein „Ex-“ davor. So wie hier, wo es um das „Ex-MOF“-Gebäude in Ferrara in der Emilia-Romagna geht. MOF steht dabei für Mercato Ortofrutticolo, was nichts anderes als Obst- und Gemüsemarkt bedeutet. Das Ex-MOF-Gebäude war 1936/37 in der typischen Mischung aus Moderne und Monumentalität der Mussolini-Jahre errichtet worden. Doch schon in den achtziger Jahren zog der Großmarkt an einen anderen Standort um, und das charakteristische Gebäude mit seiner Turmuhr lag seitdem brach.
Damit soll jetzt Schluss sein: In den Bau zieht die Architektenkammer der Provinz Ferrara und will dort ein „Urbanes Zentrum“ betreiben. Im März wurde dafür ein Wettbewerb entschieden; diese drei Preisträger wurden gekürt:
- 1. Preis: Q.B. Atelier, Ferrara (Filippo Govoni, Federico Orsini, Fernando Russo, Riccardo Russo)
- 2. Preis: Vittorino Belpoliti, Reggio Emilia (mit Riccardo Chiarini, Valeria Farinelli, Stefano Mezzogori)
- 3. Preis: navarini architetti e associati, Rovigo (Roberto Navarrini, Franco Navarrini, Elena Lavezzo)
Die Arbeit des ersten Preisträgers, des jungen Büros Q.B. Atelier, basiert auf den drei Begriffen Zugänglichkeit, Flexibilität und In-Wert-Setzen (
accessibilità, flessibilità, valorizzazione). Das Gebäude soll eine neue, intime Atmosphäre ausstrahlen, aber für die städtische Öffentlichkeit zugänglich sein. Die Zugänglichkeit wird durch neue Erschließungselemente wie Rampen und einen Aufzug gewährleistet. Die Innenräume werden durch ein „zweigesichtiges Skelett“ (
un'ossatura bifronte) flexibel nutzbar sein. Drei getrennt zugängliche Nutzungen müssen untergebracht werden: Büros der Architektenkammer, das Urbane Zentrum mit Räumen für Workshops und schließlich eine Bar.
Insgesamt versucht der Entwurf, die Substanz des Gebäudes so wenig wie möglich anzutasten und dabei funktionale und reversible Lösungen anzubieten, die den historischen Wert des Gebäudes herausarbeiten.
(-tze)
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Robert Conrad | 04.04.2014 09:44 UhrRespekt gegenüber der belasteten Architektur
im ansatz finde ich alle 3 arbeiten überzeugend, da sie respekt gegenüber der historischen (belasteten) architektur beweisen. ich hoffe, dass dies auch bereits die wettbewerbsausschreibung gefordert hatte. - es kann ja wohl nicht darum gehen, geschichtsvergessene abrissorgien wie beim stuttgarter hauptbahnhof zu wiederholen um sich der eigenen politischen korrektheit zu versichern. ganz abgesehen davon, dass es sich hier (wie in stuttgart) nicht einmal um "nazi-architektur" handelt: auch wenn dadurch das mussolini-regime nicht freundlicher wird, unterscheiden sich dessen bauliche hinterlassenschaften deutlich und grundsätzlich von der deutschen ns-architektur. weitere beispiele dieser baugeschichtlich hochinteressanten zeitzeugnisse findet man hier:
http://www.robert-conrad-fotografie.de/freie-arbeiten/59-602-0/