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23.03.2023
3.500 Meter Algen
Wettbewerb für die Kiellinie entschieden
Die Kieler Förde lässt das Ostseewasser bis ins Herz der norddeutschen Hafenstadt schwappen. Entlang der westlichen Uferkante dieser schmalen Meeresbucht zieht sich über etwa 3,5 Kilometer die sogenannte Kiellinie. Sie ist das Gesicht der Stadt. Besonders für all diejenigen die vom Meer kommen und beispielsweise am Kreuzfahrtterminal Ostseekai Halt machen. Neben weiteren Anlegern für wesentlich kleinere Boote säumen vor allem Wiesen, der bewaldete Düsternbrooker Fördehang und in Richtung Innenstadt repräsentative Bauten wie der Landtag und das Universitätsklinikum die Uferkante. Allerdings weisen viele der Freiflächen entlang der Promenade aus Sicht der Verantwortlichen einen erheblichen Gestaltungsbedarf auf.
Die Stadt Kiel, der die meisten Grundstücke an der Kiellinie gehören, hat daher im Juni des vergangenen Jahres einen freiraumplanerischen und städtebaulichen Wettbewerb nach RPW 2013 ausgeschrieben. Mit diesem sollte ein neues Gesamtkonzept für die heterogenen Stadt- und Naturräume gefunden werden. Einige Abschnitte tragen derzeit eher den Charakter von Durchgangsverkehr. Es fehlen nicht kommerzielle Angebote an Sport- und Spielflächen sowie niedrigschwellige Aufenthaltsmöglichkeiten. Der Autoverkehr soll zugunsten von Fuß- und Radwegen – darunter eine Premiumradroute – verringert werden. Im nördlichen, weniger urbanen Abschnitt war dennoch je eine Variante mit und ohne Autoverkehr aufzuzeigen. Als besondere Herausforderung stand dabei die Übereinkunft paralleler und saisonaler Nutzungen an der Kiellinie an. So lockt die Kieler Woche jedes Jahr im Juni etwa drei Millionen Segelfans hierher. Und um den Platz im Wasser konkurrieren Boote, Fähren wie auch Badende.
Um den langgestreckten Stadtraum über 3,5 Kilometer und 11,6 Hektar handhabbar zu machen, wurde er in einen Süd-, Mittel- und Nordabschnitt mit drei Vertiefungsbereichen gegliedert. Insgesamt umfasste die Wettbewerbsaufgabe circa neun Hektar Realisierungsteile und circa 2,6 Hektar Ideenteile. 14 Teams reichten ihre Entwürfe für den offenen Wettbewerb, der vom Büro Herwarth + Holz (Berlin) betreut wurde, ein. Die Jury unter Vorsitz von Architekt Kees Christiaanse gab im Dezember 2022 die Preisträger bekannt. Gewonnen hat die Arbeitsgemeinschaft der Landschaftsarchitekt*innen und Stadtplaner*innen von Studio RW, Studio Wessendorf und Plancontrol (alle Berlin). Alle Preise im Überblick:
- 1. Preis: Studio RW mit Studio Wessendorf und Plancontrol (alle Berlin)
- 2. Preis: Franz Reschke Landschaftsarchitektur (Berlin) mit Freie Planungsgruppe Berlin und Rimpau Bauer Derveaux Partnerschaft von Architekten (Berlin)
- 3. Preis: Greenbox Landschaftsarchitekten (Köln) mit RHA Reicher Haase Assoziierte (Dortmund)
- Eine Anerkennung: Planorama Landschaftsarchitektur (Berlin) mit torsten becker stadtplaner (Frankfurt am Main)
- Eine Anerkennung: RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten (Köln) mit De Zwarte Hond (Köln)
- Eine Anerkennung: capattistaubach urbane Landschaften mit O & O Baukunst (Berlin)
Das siegreiche Team nennt seinen Entwurf „Reallabor Klimaschutz“ und schlägt mehrere diesbezügliche Maßnahmen vor. Darunter fallen Asphaltbeläge, die aus abzubrechenden Bestandflächen der Kiellinie gewonnen werden sollen, ebenso wie geplante Regenwasserspeicher in Form von Baumrigolen und Zisternen. Zudem soll es skulpturale Kleinwindkraftanlagen und Solarpaneele geben, die die Straßenleuchten und Kleinarchitekturen mit Strom versorgen.
Ein weiterer Aspekt des Prinzips Reallabor ist das Vorhaben, lokale Akteure der Forschung einzubeziehen. Dies gilt beispielsweise für das zentrale gestalterische Element des Entwurfs. Ein grün-blaues Band aus mit Algen gefärbten Betonplatten gliedert die gesamte Uferpromenade. Es trennt die Gehwege vom schnelleren Radverkehr und integriert Bäume, Stadtmobiliar sowie Sport- und Spielangebote, die kontrastierend in leuchtendem Gelb dargestellt sind. An wichtigen Schnittstellen wie den Eingangssituationen bilden die farbigen Platten kleine Plätze aus. Die bestehenden Freiflächen bleiben größtenteils in ihrer heutigen Form erhalten. Bemerkenswertere Eingriffe erfolgen bei der Reventlouwiese, die zum Dünenpark mit Beachvolleyballfeldern modelliert wird, und der Bellevue-Brücke, die als Fähranlegestelle ausgebildet wird. Beide erhalten außerdem einen neuen Badesteg inklusive abgetrennter Schwimmbecken.
Das Verfahren ist eingebunden in ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept und wird durch das Programm „Lebendige Zentren“ aus dem Bundeshaushalt gefördert. Der Siegerentwurf soll nun in einem mehrstufigen Planungsverfahren zur Umsetzungsreife gebracht werden, um Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) zufolge künftig „Kiels neue Visitenkarte am Wasser zu werden“. Dazu könnte auch das Projekt KoolKiel von MVRDV beitragen, das schon 2019 in den Baunetz-Meldungen vorgestellt wurde. (mh)
Zum Thema:
Mehr Infos zum Wettbewerb an der Kiellinie sind auf kiel.de zu finden.
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1. Preis: Studio RW (Berlin) mit Studio Wessendorf (Berlin) und Plancontrol (Berlin), Perspektive Kiellinie Mitte, Berthold-Beitz Ufer
2. Preis: Franz Reschke Landschaftsarchitektur (Berlin) mit Freie Planungsgruppe Berlin und Rimpau Bauer Derveaux Partnerschaft von Architekten (Berlin), Perspektive Kiellinie Nord
3. Preis: Greenbox Landschaftsarchitekten (Köln) mit RHA Reicher Haase Assoziierte (Dortmund), Perspektive Kiellinie Nord
Luftbild Kieler Förde
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