Grundrisse anthroposophischer Einrichtungen sind für viele Architekten eine willkommene Abwechslung, weichen sie doch vom vertrauten Kistenschema ab. Das sieht man nicht nur beim Waldorfkindergarten im Saarland, den Bayer + Strobel 2013 fertig stellten, bei der Sporthalle für eine Waldorfschule in Berlin von Kersten + Kopp aus dem Jahr 2015 oder beim Kleinkindhaus in Heilbronn von mattes sekiguchi partner architekten. Das wird auch deutlich wenn – wie im vorliegenden Fall einer Waldorfkita im brandenburgischen Werder – mehrere Entwürfe für die gleiche Bauaufgabe miteinander verglichen werden können.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1993 sind die Waldorfschule mit der zugehörigen Kita in der Elsastraße in alten Kasernengebäuden nahe des idyllischen Seeufers untergebracht. Jetzt wird es dort zu eng, ein Neubau soll her. Die kollektiv organisierte Bauherrschaft sieht darin eine Chance, sich auch über die Architekturqualität zu profilieren. An das öffentliche Vergaberecht ist der Waldorfverein nicht gebunden. Dass er dennoch ein freiwilliges Qualifizierungsverfahren durchführte, hatte vor allem mit dem Engagement von Rebekka Ley, Assistentin der Geschäftsführung, zu tun – und mit dem Architekten und Hochschullehrer Swen Geiss. Seine Studenten an der anthroposophisch orientierten Alanus Hochschule bei Bonn hatten sich in ihrer Masterarbeit mit der Entwicklung des Areals in Werder befasst und im Anschluss ein Verfahren ausgearbeitet, das schließlich in der Mehrfachbeauftragung von acht ausgewählten Büros mündete.
Entsprechend der Auslobung war ein robustes Gebäude- und Innenraumkonzept gewünscht, das den pädagogischen Zielsetzungen des Kindergartens entspricht und sich in den Standort einfügt. Rund 100 Kinder im Alter von 1,5 bis 6,5 Jahren werden darin und auf dem zugehörigen Außengelände einen großen Teil des Tages verbringen. Das Gebäude durfte zwar zweigeschossig sein, alle Gruppenräume sollten jedoch im Erdgeschoss liegen. Zwei Tage Zeit nahm sich die sechsköpfige Jury, in der neben Pädagogen und zwei Elternvertretern, die selbst Architekten sind, auch Swen Geiss vertreten war. Sie kam zu folgendem Ergebnis:
- 1. Platz: weberbrunner Architekten, Berlin
- ein 3. Platz: MONO Architekten, Berlin mit Franz Reschke Landschaftsarchitektur, Berlin
- ein 3. Platz: Seewald Engel Sedehi, Berlin
Die unprätentiöse Architektursprache ves Berliner Büros
weberbrunner Architekten (1. Preis) konnte, in Kombination mit der räumlichen Differenziertheit und funktionalen Klarheit, alle Jurymitglieder in gleicher Weise überzeugen, heißt es im Protokoll des Preisgerichts. Die Architekten platzierten den dreieckigen Baukörper am nördlichen Grundstücksrand. Küche, Bewegungsraum und Verwaltung sind in den Spitzen angeordnet und spannen dazwischen einen bogenförmigen Laubengang auf. An diesen lagern sich nach Süden und Westen orientierte Gruppenraumcluster an. Deren interne, zelluläre Struktur sowie die Gelenkfunktion der Garderoben zwischen gemeinsamer Erschließung, Gruppen-, Sanitär- und Außenraum hob die Jury als besonders positiv hervor.
Neben dem ersten wurden zwei dritte Preise vergeben. Am Entwurf von
MONO Architekten mit
Franz Reschke Landschaftsarchitektur (beide Berlin) lobte die Jury die klare Architektursprache und das damit korrespondierende Material- und Low-Tech-Konzept sowie die Verwendung von hochwertigen, baubiologischen Materialien bei gleichzeitiger Reduktion der Massen und Flächen. In einer winkelförmigen Großform arrangierten die Architekten einen „offenen Kindergarten“ unter einem gestaltprägenden Ziegeldach.
Seewald Engel Sedehí, ein Team junger Absolventen aus verschiedenen Städten, tat sich mit seiner bildhaften Leitidee des Kindergartens als Schneckenhaus hervor, die laut Jury sehr gut übersetzt und zu einer eigenständigen und lesbaren Gebäude- und Raumstruktur entwickelt wurde, jedoch in Teilbereichen nicht ausreichend durchgearbeitet schien. Der Baubeginn wird für Sommer 2019 angestrebt.
(fm)
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ja... | 26.08.2018 14:58 Uhrund...
...mal wirklich schöne, mutige Perspektiven beim Drittplatzierten