Gerade gastiert dort ein Zirkus, jedenfalls nach Google Earth zu urteilen, und irgendwie passt das ganz gut: Bereits 2001 wurden erste Pläne für einen Neubau des Hardturm-Stadions vorgestellt, später kam eine Mantelbebauung aus Gewerbe und Büros hinzu – ein Projekt, das spätestens zur EM 2008 fertig sein sollte. Seither folgten ausgiebige Proteste, einige neue Varianten und mehrere Volksabstimmungen, bei denen jeweils wechselnde Bestandteile des Projekts abgelehnt wurden. Geschehen ist darum bis heute nichts, sieht man vom Abriss des baufälligen alten Stadions Ende 2008 ab. Seither spielen die beiden Stadtclubs FC Zürich und Grasshoppers Zürich im provisorisch ausgebauten Leichtathletikstadion Letzigrund.
Mit einem groß angelegten Investorenwettbewerb will die Stadt Zürich nun endlich den nächsten Schritt machen. Bewerben konnten sich Bieterteams bestehend aus Architekten, Investoren und gemeinnützigen Wohnbauträgern, von denen schließlich fünf zum Wettbewerb zugelassen wurden. Das Projekt sieht nun neben dem neuen Stadion mit einer Kapazität von 18.500 Plätzen auch die Errichtung von Genossenschaftswohnungen vor – zusätzlich zu den investorenfinanzierten Projektanteilen, die neben Büros und Gewerbe ebenfalls Wohnungen umfassen. Mit dabei waren auch Burkard Meyer Architekten und Bob Gysin + Partner, die 2012 den Wettbewerb für das Stadion und für die Mantelbebauung für sich entscheiden konnten. Durchgesetzt hat sich nun allerdings das Bieterteam Ensemble, das mit den Zürcher Architekturbüros Pool Architekten, Caruso St John Architects und Boltshauser Architekten angetreten war. Das Bewerberfeld im Überblick:
Gewinner:
- Team Ensemble
Pool Architekten (Zürich), Caruso St John Architects (Zürich, London), Boltshauser Architekten (Zürich) und Studio Vulkan Landschaftsarchitektur (Zürich) mit der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich als Wohnbauträger und Swisscanto Anlagestiftung (Zürich) als Hauptinvestor
Teilnehmer:
- Team Blau Weiss
Huggenbergerfries Architekten (Zürich), Architekten Schwaar & Partner (Bern), Maier Hess Architekten (Zürich) und Landschaftsarchitekten Hager Partner (Zürich) mit der Baugenossenschaft Zurlinden (Zürich) als Wohnbauträger und dem Konsortium Immo Helvetic / Berninvest (Zürich) als Hauptinvestor
- Team Jalkapallo
Theo Hotz Partner Architekten (Zürich), burkhalter sumi architekten (Zürich), Philippe Cabane Stadtentwicklung (Basel) und Landschaftsarchitekten raderschallpartner (Zürich) mit der Baugenossenschaft Freiblick (Zürich) als Wohnbauträger und der Schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaft (Zürich) als Hauptinvestor
- Team Mi-Ca-Do Kollektiv
Baumschlager Eberle (Zürich), Chabanne + Partenaires Architectes (Lyon), BIG – Bjarke Ingels Group (Kopenhagen) und Vogt Landschaftsarchitekten (Zürich) mit der Gemeinnützigen Bau- und Mietergenossenschaft Zürich als Wohnbauträger und den Anlagestiftungen Turidomus und Adimora als Hauptinvestoren
- Team Portal Hardturm
Burkard Meyer Architekten (Baden), Adrian Streich Architekten (Zürich), Bob Gysin + Partner (Zürich) und Haag Landschaftsarchitektur (Zürich) mit Kraftwerk 1 (Zürich) als Wohnbauträger und der PSP Swiss Property (Zug) als Hauptinvestor
Alle fünf Projekte zeichnen sich durch eine sehr eigenständige Herangehensweise aus, was für die Offenheit der Ausschreibung spricht – hier war man ganz offensichtlich daran interessiert, ganz unterschiedliche Ideen zuzulassen. So arbeitet das Team
Mi-Ca-Do, dem neben
Baumschlager Eberle auch
BIG angehört, mit einer spiralförmigen Großform, die sowohl das genossenschaftliche wie auch das private Wohnen und Arbeiten umfasst. Das Team
Jalkapallo mit
Theo Hotz Partner und
burkhalter sumi architekten schlägt wiederum eine Teppichbebauung aus niedrigeren und höheren Blöcken vor, die das grün bewachsene Stadion integriert. Das Team
Hardturm Portal um
Burkard Meyer und
Bob Gysin + Partner konzipiert dagegen zwei markante Stadtblöcke mit integrierten Hochhäusern, während das Team
Blau Weiss um
Huggenbergerfries Architekten mit einem ähnlichen Grundprinzip, aber mit einzelnen Türmen arbeitet. Die Jury unter Vorsitz von
Arno Lederer, der unter anderem auch
Roger Diener,
Lisa Ehrensperger und der Zürcher Stadtamtsleiter
Patrick Gmür angehörten, musste dabei nicht nur die städtebaulichen und architektonischen Aspekte bewerten, sondern auch das Gesamtpaket bis hin zum Finanzierungsansatz berücksichtigen. Gmür ist mit seinem Architekturbüro auch für das benachbarte
Hardturm-Park-Hochhaus verantwortlich, das demnächst fertiggestellt sein wird.
Für das Siegerprojekt des Teams
Ensemble spricht laut der Jury darum insbesondere, dass es sich bei „bei dem gut durchgearbeiteten Entwurf um ein sehr schlüssiges Gesamtkonzept“ handelt. Dieses könne auf der einen Seite tatsächlich den Begriff des Ensembles für sich reklamieren, es seien andererseits aber auch die individuellen und gut identifizierbaren Bausteine als eigene Charaktere beispielhaft herausgearbeitet. Dies gilt insbesondere für das Stadion, das mit seiner Fassade aus Glasbaustein ein wenig wirkt wie ein Industriebau aus den Fünfzigerjahren. Überhaupt zeichnet sich das Gesamtprojekt durch eine – im positiven Sinne – fast spröde Präzision aus, die angesichts der heute sonst üblichen Stadionerlebnisumgebungen absolut erfrischend wirkt. Die beiden Hochhaustürme mit insgesamt 66.000 Quadratmetern Nutzfläche werden durch die Investoren errichtet, während der mäandernde Wohnblock der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich zugeordnet ist.
Wichtige Gründe für die Ablehnung der früheren Projekte waren übrigens nicht nur ästhetische Kriterien oder Fragen der Nutzung, sondern vor allem auch die als zu hoch empfundenen Kosten. Diese Erkenntnis lag wiederum der Entscheidung der Stadt Zürich zu Grunde, das Projekt nun nicht mehr selbst zu finanzieren, sondern das komplette Paket aus Bau und Betrieb privat auszuschreiben. Trotzdem rechnet der Stadtrat auch dieses Mal mit einer Volksabstimmung, weshalb der Weg bis zum Eröffnungsspiel noch lang sein kann.
(sb)
Zum Thema:
Die Projekte aller fünf Teams sind vom 13. bis 23. Juli 2016 in den Wettbewerbsräumen des Amts für Hochbauten im Pavillon Werd, Morgartenstrasse 40, 8004 Zürich, ausgestellt. Öffnungszeiten: Mo-Fr 16–20 Uhr, Sa-So 14–18 Uhr, heute, am 13. Juli 2016, nur von 18–20 Uhr.
Das ausführliche Protokoll ist unter www.stadt-zuerich.ch zu finden.
Auf Karte zeigen:
Google Maps
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
2
Franz Müller | 19.07.2016 18:52 Uhrdas wahre Ziel weit verfehlt...
Hier wird ein Projekt bevorzugt, welches den Steuerzahler teuer kosten wird und der Stadtmieter weiterhin super teure Wohnungen bekommt. Bei einer Offenlegung der Angebote würde das Stimvolk sehen, ob es doch nicht irgend eins der restlichen vier Teams geschafft hat, die wahren Interessen der Stadtbevölkerung zu erfüllen. Hat die Stadt keine Politiker, die das interessiert??