Architektonische Ideenwettbewerbe sind bestenfalls provokant, lösen Debatten aus, stimulieren Diskurse. Nicht immer werden sie den Erwartungshaltungen der einzelnen Akteure gerecht (wie man hierzulande immer wieder beobachten kann). Sie zeigen Szenarios – gute oder schlechte –, kokettieren mit Utopien und Visionen, fragen kurzum: Wie wollen wir leben? Dabei bieten sie ein Forum für gesellschaftlichen Wandel und sprechen der Architektur ihren Einfluss darauf zu.
Der von Bee Breeders ausgelobte Ideenwettbewerb für eine Cannabis Bank reagiert auf gesellschaftliche Debatten zur Cannabis-Legalisierung. Es ist bekannt: Seit einiger Zeit findet in verschiedenen Staaten eine Re-Evaluierung der Droge statt. Ist Cannabis-Konsum nicht vielleicht ähnlich, oder sogar weniger gefährlich als der Konsum anderer, aber legaler Drogen wie beispielsweise Alkohol?
Um den Legalisierungsprozess zu begleiten und eine Entstigmatisierung einzuleiten, fragt der Auslober einerseits, welchen positiven Einfluss Cannabis auf die Gesellschaft haben könnte – dabei weist er unter anderem auf die zahlreichen medizinischen Anwendungsmöglichkeiten der Cannabispflanze hin. Andererseits soll ein möglicher architektonischer Rahmen für den Konsum und Informationen über die Pflanze gefunden werden.
Der erste Preis, das Projekt „U-CAN“ von einer Gruppe aus Studenten und Professoren aus Tawain (I-Ting Chuang, Jing-Yao Lin, Takanori Kodama, Yu Han Wu), findet in den illegalen, aber tolerierten Dachaufbauten taiwanesischer Städte die adäquate Typologie für den in Taiwan illegalen Konsum. Mit Verweis auf das gleichzeitige soziale Potenzial der Räume – die Dachaufbauten sind beliebte Treffpunkte – und das soziale Potenzial des Konsums – den argumentieren sie als spirituelle und soziale Aktivität – adressieren sie mit ihren Nachverdichtungsvorschlägen politische Paradoxe.
Mit der Ortswahl für ihre „Cannaleonic Bank“ – zwischen Strand und medizinischem Forschungspark – reflektieren Albert Pla, Joan Pau Albertí und Héctor Durán aus Barcelona die ambivalente öffentliche Wahrnehmung zwischen medizinischem Konsum und Freizeit-Konsum von Cannabis. Sie konzipieren eine lose Ansammlung von offenen Räumen, die durch temporäre Wände rekonfiguriert werden können und die durch eine äußere Gebäudehülle aus Informationswänden gegen die Umgebung abgegrenzt werden.
Die Illegalität der Droge ist das spekulative Moment des Ideenwettbewerbes: Anbau, Verkauf und Konsum der Cannabispflanze sind in der Mehrzahl der Länder der Welt illegal. 2013 beschloss Uruguay, Cannabis unter staatlicher Kontrolle zu legalisieren, in den US-Bundesstaaten Washington und Colorado sind mittlerweile Verkauf und Konsum, allerdings nicht der Anbau, erlaubt. In den Niederlanden ist Cannabis weiterhin nicht legalisiert, aber toleriert. Und auch in Deutschland findet ein Umdenken statt: Die Bundesregierung diskutiert aktuell über eine „Verkehrs- und Verschreibungsfähigkeit“ von Cannabis für medizinische Zwecke, die den kontrollierten Anbau zur Folge hätte.
Der Wettbewerb ohne Realisierungsvorhaben entzieht sich bewusst den gesetzlichen Rahmenbedingungen eines konkreten politischen Kontextes, indem er den Teilnehmern bei der Platzierung ihrer Projekte komplette Freiheit lässt. Dennoch nehmen alle auf ihre Weise Bezug auf Aspekte der Legalisierungsdebatte und zeigen, wie problemlos und selbstverständlich eine Integration in die urbane Struktur gelingen könnte. (df)
Zum Thema:
www.beebreeders.com
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Cosmo | 16.07.2016 01:01 UhrColorado
In Colorado ist der Anbau erlaubt und wird staatlich kontrolliert...
Dies trifft auch auf andere Bundesstaaten zu. Die Problematik in Amerika ist wesentlich umfangreicher.