Morgen jährt sich die große Leipziger Montagsdemonstration zum 35. Mal. Passend zu diesem Datum wurden Ende letzter Woche die Ergebnisse im künstlerischen Realisierungswettbewerb für das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Leipzig bekanntgegeben. Dieses geht auf einen Beschluss des Deutschen Bundestages zurück und soll „den Beitrag der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig zur Friedlichen Revolution angemessen würdigen“.
Gewinner des nicht-offenen, internationalen, künstlerischen Realisierungswettbewerbs mit vorgeschaltetem, offenem Teilnahmewettbewerb nach der RPW 2013 ist das Team ZILA Architekt.innen mit Künstlerin Bea Meyer und Architekt Michael Grzesiak. Alle Beteiligten des ausgezeichneten Teams stammen aus Leipzig.
Insgesamt waren 36 Teams für den Wettbewerb ausgewählt worden – 24 durch ein Auswahlverfahren nach offenem Teilnahmewettbewerb (mit wiederum 78 Beteiligten), 12 weitere durch eine Findungskommission. Aus den eingegangenen Arbeiten wählte die Jury unter Vorsitz von Kjetil Thorsen (Snøhetta, Oslo) drei Preise:
- 1. Preis: ZILA Architekt.innen mit Künstlerin Bea Meyer und Architekt Michael Grzesiak (alle Leipzig)
- 2. Preis: Richter Musikowski Architekten mit Grieger Harzer Dvorak Landschaftsarchitekten und Künstlerin Anna Talens (alle Berlin)
- 3. Preis: Thomas Moecker, Künstler (Leipzig) mit Werner Klotz, Künstler (Berlin) und Anna Dilengite, Architektin (Leipzig)
Das Denkmal wird integraler Teil des Wilhelm-Leuschner-Platzes, den
Atelier Loidl (Berlin) neu gestalten werden. Der entsprechende freiraumplanerische Wettbewerb
war im Frühjahr entschieden worden. Wenige Wochen später wurden die Wettbewerbsunterlagen für das nun entschiedene Konkurrenzverfahren ausgegeben, das vom Berliner Büro
[phase eins]. betreut wurde.
Banner, Fahnen, TransparenteDer erstplatzierte Entwurf schlägt circa 50 abstrahierte „Banner, Fahnen, Transparente“ (so der Titel der Arbeit) vor. Sie bestehen aus weiß lackiertem Edelstahl, sollen unregelmäßig über den Platz verteilt werden und so Bilder von sich formierendem Protest assoziieren. Das Preisgericht schreibt: „Die Leere der Transparente lädt in subtiler Form zur gedanklichen Befüllung der Transparente ein, die leichte, spontan in die Wiese eingesteckt wirkende Form macht die Objekte zum nahbaren Gegenstand des Alltags.“
Die Jury verweist in ihrem Kommentar zur Arbeit durchaus darauf hin, dass diese Form der Offenheit strahlend weißer, unbeschriebener Flächen ein Wagnis ist, wenn sie schreibt: „Kontrovers diskutiert das Preisgericht die Frage der aktiven Partizipation, die sich im schlechten Fall in Form von Vandalismus ausdrückt.“
Der Entwurf geht über die historischen Ereignisse hinaus und verweist in seiner Offenheit auf Protest und Meinungsbildung im Allgemeinen. Das spiegelt sich auch in einer zurückhaltenden Darstellung der Ereignisse rund um den Mauerfall, die vor allem in Form von sechzehn Datierungen wichtiger Momente auftauchen, die als Metallplatten in den Boden eingelassen werden.
Lichtermeer und typografische Landschaft
Die zweitplatzierte Arbeit „Lichtermeer“ sieht eine kreisrunde, flache Senke mit 70.000 reflektierenden Fliesen vor, die in den warmen Jahreszeiten mit Wasser befüllt werden kann. Die Jury erkannte „eine Ambivalenz, die das Projekt dauerhaft in der Schwebe belassen würde: auf der einen Seite die kontemplative Schönheit als Ort zur Erinnerung an ein positives Ereignis, auf der anderen Seite die fehlende Kraft und Herausforderung der Besuchenden, die das Projekt an den Rand der Beliebigkeit treiben lässt. Das Projekt hat zwar das Potential, entfaltet jedoch keine weitere politische Dimension jenseits der politischen Kraft der Stille.“
Das drittplatzierte Projekt setzt auf zwei lange Schriftzüge („Wir bleiben hier“ und „Wir wollen raus“), an deren Enden ein großer Tisch und ein „Info-Kiosk“ stehen. Das Preisgericht urteilte: „Der Eingriff mit der typografischen Skulptur ist zwar angenehm bescheiden und kann als Landart verstanden werden, stellt aber mit 4 Meter Höhe und 100 Meter Länge eine nicht unerhebliche Barriere innerhalb eines sehr großen Teils der Freifläche dar. Die Addition der Anfangs- und Endskulpturen wird inhaltlich konzeptionell und als Stärkung des Partizipatorischen nachvollzogen, kann jedoch kompositorisch nicht überzeugen.“
Ein zweiter Versuch
In den Jahren 2009–14 gab es bereits einen
ersten Anlauf für das Denkmal, der aber scheiterte. Man kann nur hoffen, dass es dieses Mal besser läuft. Und dass es vor allem besser läuft als in Berlin, wo mit der
viel diskutierten und kritisierten „Einheitswippe“ das zweite zentrale, vom Bundestag beauftragte Denkmal entstehen soll, das an Mauerfall, Friedliche Revolution und Deutsche Einheit erinnert.
Die Ausstellung aller Entwürfe wird am
morgigen Mittwoch, 9. Oktober 2024 in einer geladenen Festveranstaltung mit dem ehemaligen Bundespräsidenten
Joachim Gauck eröffnet. Von 13 bis 20 Uhr ist sie dann für alle Interessierten zu sehen. Ort ist das Paulinum der Universität Leipzig (Neues Augusteum, 04109 Leipzig). Wer es morgen nicht dorthin schafft, hat im November nochmals die Möglichkeit, die Entwürfe zu studieren. Vom
4. bis 15. November 2024 werden sie in der DenkmalWerkstatt der Stiftung Friedliche Revolution im Hansahaus (Grimmaische Straße 11–13, 04109 Leipzig) zu sehen sein.
(gh)
Zum Thema:
Zum Wettbewerb wurde eine ausführliche Webseite eingerichtet. Ab morgen sind dort alle eingereichten Arbeiten publiziert.
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7
mayyy | 09.10.2024 14:59 Uhr@4:
Bent Wilke irritiert. montagsdemontrationen waren voller banner.
ich bin gespannt, wir die weissen, leeren banner in zukunft gefüllt werden. ob da auch meinungsfreiheit erlaubt ist?