Als die Freie Waldorfschule Berlin-Mitte 2001 an ihren heutigen Standort in der Nähe des Hackeschen Markts zog, war die Freude allein schon deshalb groß, weil sich die räumliche Situation gegenüber der bis dahin behelfsmäßigen Unterbringung in der Dresdner Straße deutlich verbesserte. Kaum jemand dürfte damals geahnt haben, dass man sich 20 Jahre später inmitten eines glamourösen Touristen-Hot-Spots wiederfinden würde – als letzter Ruhepol zwischen Boutique-Hotel und Softwareschmiede, Flag Ship Stores und Hipster-Cafés.
Das etwa 1,5 Hektar große Gelände ist wie fast jeder Quadratmeter in Berlin-Mitte historisch aufgeladen. Hier überlagern sich Spuren einer Schulhistorie aus dem 19. Jahrhundert und nachkriegsmoderner DDR-Schulbau mit Erinnerungen an die jüdischen Traditionen des Viertels und dem nationalsozialistischen Terror, der sie brutal zerstörte. Heute gibt es hier eine Grundschule mit Hort, eine weiterführende Schule bis zur 13. Klasse und ein Lehrerseminar.
Wachsender Raumbedarf und der schlechte bauliche Zustand von Teilen des Bestands bewogen die Schule zur Auslobung eines nichtoffenen Realisierungswettbewerbs gemäß RPW 2013. In einem vorgeschalteten Bewerbungsverfahren wurden zwölf Architekturbüros ausgewählt, weitere acht waren vorab gesetzt worden. Vorausgegangen war ein städtebauliches Verfahren zur Entwicklung eines Masterplans, das Winking Froh Architekten (Berlin) 2019 für sich entscheiden konnten und das als Grundlage für den aktuellen Realisierungswettbewerb diente.
Nun steht fest, wie es auf dem Areal architektonisch weitergeht: Die Jury unter Vorsitz von Christa Reicher (Aachen) teilte – anders als zunächst in der Auslobung vorgesehen – die Gesamtaufgabe in zwei Teile: die Schulerweiterung mit Hort und das Lehrerseminar. Letzteres wird als bundesweite Einrichtung geführt werden, richtet sich also nicht nur an das Lehrpersonal der Waldorfschule Berlin-Mitte; außerdem soll in diesen Baukörper eine Kita integriert werden.
Der 1. Preis für Schulerweiterung und Hort ging einstimmig an das Architekturbüro Frölichschreiber mit Stefan Bernard Landschaftsarchitekten (beide Berlin), der für das Seminargebäude an schürmann dettinger architekten (München) mit Bode-Williams + Partner Landschaftsarchitekten (Berlin).
Grüntuch Ernst mit Topotek Landschaftsarchitekten erhielten für ihr Gesamtkonzept einen 3. Preis, mit zwei Anerkennungen wurden die Entwürfe der Teams Kersten Kopp Architekten mit Sinai Landschaftsarchitekten sowie Winking Froh Architekten mit Frank Kiessling Landschaftsarchitekten (alle Berlin) honoriert.
Für FrölichSchreiber stand die „perfekte Einpassung“ ihrer Neubauten in den denkmalgeschützten Bestand im Vordergrund. Die Schulerweiterung füllt die Lücke an der Steinstraße und macht mit einer plastisch ausgebildeten Klinkerfassade auf sich aufmerksam. Dem als Holzbau konzipierten Hortgebäude im Innenhof möchten die Architekten eine dorfartige Anmutung verleihen. So soll auf dem Waldorf-Campus – der auch von Schafen, Hühnern und Hasen bewohnt wird – das Bild vom „Dorf in der Stadt“ weiter gestärkt werden. Die Jury lobte die Kompaktheit und differenzierte Ausformung des Volumens ebenso wie die Verbindung zwischen Innen- und Außenräumen.
Die Erweiterung des Seminargebäudes wird künftig ein sichtbares Zeichen an der Kreuzung Weinmeister-, Gormann- und Rosenthaler Straße setzen. Im Vorschlag von schürmann dettinger ist der neue Eingangsplatz als „grünes Entree“ ausgebildet, von dem aus eine Promenade in das Innere des Areals leitet. Der neue Kopfbau will bewusst stärker als bisher in den Stadtraum hineinwirken und zu gesellschaftlichem Austausch auffordern. Mit Bibliothek, Eurythmiesaal und Aufenthaltsbereichen orientieren sich öffentlichkeitswirksame Nutzungen zum Platz. Die kreativen Bereiche im vierten Obergeschoss sollen später „wie eine Lichtkrone in die Stadt hineinstrahlen“.
Schulerweiterung und Hort sollen möglichst schnell realisiert werden. Für das Seminargebäude werden nun – auf der Basis des Wettbewerbsentwurfs – die Gelder akquiriert. In beiden Fällen möchte die Waldorfschule die Preisträger mit der weiteren Planung beauftragen. (kv)
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Bodos Autos | 18.02.2020 17:00 UhrGut gemacht
Gutes Ergebnis. Eine Schule in der Schüler und Lehrer sich wohlfühlen können, wahrscheinlich nicht ganz billig, aber langlebig, nachhhaltig, effizient.
Die Waldorfschule hat nen Wettbewerb gemacht, da hat jemand gewonnen. Wie so oft im Leben nölen nachher die rum, die nicht mitgemacht haben. Auch Sorry. :-)