Stillgelegte Industrie, belasteter Naturraum – so sehen oft die Vorzeichen für Konversion und Quartiersentwicklung aus. Ein 16,4 Hektar großes Areal entlang des Flusses Murr am Rande der Altstadt von Backnang, nördlich von Stuttgart gelegen, bot bereits 2021 Anlass für einen internationalen städtebaulichen Wettbewerb. Als offizielles Projekt der Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) gilt das Quartier Backnang West als zukunftweisendes Konzept. Der damalige Siegerentwurf von Teleinternetcafe (Berlin) mit Treibhaus Landschaftsarchitektur (Hamburg) sah drei Teilquartiere vor, die jeweils von neuen Erschließungswegen und grün gestalteten Uferbereichen profitieren. Zudem sollte Bestand in Form historischer Fabrikgebäude integriert, für gewerbliche, soziale und kulturelle Nutzungen umgebaut und um Wohnnutzung aufgestockt werden.
Ein erster Baustein des Quartiers ist nun skizziert. Am zugehörigen Werkstattverfahren für ein Konzept zur Umnutzung und möglichen Erweiterung eines Bestandsgebäudes an der Fabrikstraße 45 nahmen vier geladene Büros teil. Die Grundstücksgemeinschaft Carl Kaess lobte als Eigentümerin zusammen mit der IBA’27 und der Stadt Backnang das Verfahren aus und hofft das Projekt bis zum IBA-Jahr realisieren zu können. Dieses präsentiert sich als Auftakt zum zukünftigen Teilquartier namens WohnFabrik und sieht seinerseits ein gestaffeltes Nutzungskonzept vor: In Richtung des bestehenden Gewerbehofs soll weiterhin gearbeitet und produziert werden, zum Quartierseingang hin soll Platz für Veranstaltungen und Gastronomie entstehen und zur Murr eine Wohnnutzung als Aufstockung integriert werden.
Nach Urteil der Jury schnitt der Vorschlag des Berliner Büros FAR frohn&rojas gemeinsam mit B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann sowie Dirk Hebel vom KIT am besten ab. Die Ergebnisse im Überblick:
- 1. Rang: FAR frohn&rojas Planungsgesellschaft (Berlin) mit B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann (Fachplanung Energiekonzept und Tragewerksplanung) und Dirk Hebel (Fachplanung Rezykliergerechtes Bauen)
- 2. Rang: feld72 architekten zt (Wien) mit Werkraum Ingenieure ZT, Transsolar Energietechnik, materialnomaden, mhd Brandschutz Architekten Müller Häberlen
- 2. Rundgang: stammler architekten (Schorndorf)
- 2. Rundgang: plus bauplanung (Neckartenzlingen)
Der Siegerentwurf sieht einen Rückbau des Bestandgebäudes bis auf die Tragstruktur und eine Ergänzung um eine zweigeschossige Wohnaufstockung vor. Letztere wird jedoch um 90 Grad gedreht auf das oberste Geschoss gelegt. Durch einen bis zu sieben Geschosse hohen Kopfbau soll das Gebäude zudem nach Osten erweitert werden.
Ein Schlüssel des Entwurfs ist eine „urbane Mine“. Denn die Bauten sollen aus dem Abrissmaterial der Bestandsgebäude entstehen. Über den mehrjährigen Umbau des Areals hinweg soll nahe der Fabrikstraße 45 ein „erlebbares Materiallager als Informationspunkt für das zirkuläre Bauen“ eingerichtet werden. So könnten etwa Backsteine aus den Bestandsfassaden in die Deckenkonstruktion des neuen Kopfbaus integriert werden.
Der Juryvorsitzende
Johannes Ernst vom Büro
steidle architekten (München) sieht im Entwurf von FAR einen „idealtypischen, gemischt genutzten Stadtbaustein der Zukunft.“ IBA’27-Intendant
Andreas Hofer erklärt genauer: „Es war Liebe auf den zweiten Blick.“ So habe das Siegerprojekt aufgrund seines abgewandelten Aufstockungskonzepts zuerst irritiert. „Bei näherer Betrachtung zeigte sich aber die kluge Rationalität, Eingriffe zu minimieren, Gebäudetiefen für den Wohnungsbau zu optimieren und ein modulares Konzept anzubieten, das in der Weiterentwicklung der Bauträgerschaft vielfältige Optionen bietet, die bestehende Gewerbeliegenschaft zu erweitern und zu ergänzen.“
(sab)BauNetz ist Medienpartner der IBA’27 StadtRegion Stuttgart.
Zum Thema:
Wir berichten laufend über relevante Entscheidungen der IBA’27 wie zuletzt über den neu erlangten Projektstatus für sechs weitere Quartiere im Rahmen der anstehenden Bauausstellung.
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50667 | 20.12.2023 11:16 UhrDer Entwurf....
...von FAR hat mit zirkulärem Bauen leider rein garnichts zu tun...urbane Mine....erlebbares Materiallager...das sind nur leere Worthülsen für das IBA Preisgericht...bis auf ein paar Ziegelsteine die man auf Seite legt wird das eine ganz normale Entkernung mit Teilabbruch...anschließend wird mit immensem Aufwand der Bestand so überformt das er nicht mehr ablesbar ist....