Kunst am Bau kann altern. Was tun – erhalten oder entfernen? Noch schwieriger wird es im Falle von Otto Herbert Hajek (1927 - 2005), der seine Wandreliefs direkt mit der Architektur verband und zur „Kunst als Bau“ machte. Ein Abriss des einen führt unweigerlich zur Zerstörung des anderen. Ein Problem für den Denkmalschutz.
Von Annika Wind
Die einen wollen es weghaben, die anderen nicht. So ist es oft, wenn ein Gebäude auf dem Prüfstand steht - und mit ihm die Kunst an seiner Fassade. Es dürfte allerdings nicht allzu oft vorkommen, dass ausgerechnet Kunsthistoriker den Abriss eines riesigen Wandreliefs befürworten, wohingegen ein Bauunternehmen Teile davon sichern will. So wie kürzlich in Mannheim: In der dortigen Kunsthalle empfahl ein Gutachter, eines der flächenmäßig größten Kunstwerke von Otto Herbert Hajek, nämlich seine „Blühenden Stationen“, zu schreddern, bis das zuständige Bauunternehmen Diringer+Scheidel dann doch noch in letzter Sekunde Teile davon einlagern ließ. Freiwillig und auf eigene Kosten.
Ein ungewöhnlicher Fall, aber auch ein typischer für die Kunst eines der bedeutendsten Bildhauer und Grafiker der Nachkriegszeit (1927-2005), der unzählige Kunst-am-Bau-Projekte in ganz Deutschland verwirklich hat. Denn Hajeks Werke - vor allem die aus den 60er und 70er Jahren - haben offenbar keine starke Lobby. So waren in den vergangenen Jahren unter anderem zwei Wandplastiken am Hörsaalgebäude der Universität Freiburg oder die bemalten Silotürme der Christian Holzäpfel KG in Horb verschwunden. Das Problem: Hajeks Werke sind keine Kunst am Bau im eigentlich Sinne, sondern „Kunst als Bau“, wie die Karlsruher Hajek-Expertin Chris Gerbing erklärt. Sie sind oft so eng mit der Architektur verbunden, dass es bisher keine denkmalpflegerische Kategorie für sie gibt. Auch das Mannheimer Postareal, reine Zweckarchitektur, war zu Recht als nicht denkmalwürdig eingestuft worden. Allerdings hatte die Behörde dabei offenbar Hajeks Relief übersehen. Denn das lieferte durchaus Qualität. Seine „Blühenden Stationen“ sollten der „eilenden Stadtgesellschaft” ein neues Raum- und Farberleben auf ganzen 120 Metern Länge ermöglichen.
Sicher, Kunst am Bau altert und wird bisweilen schäbig. Folgekosten durch Unterhalt und Wartung sind ein Problem, denn nicht selten übersteigen die Instandhaltungskosten im Laufe der Jahre die Anschaffungskosten um ein Mehrfaches. Aber es gibt einige Beispiele für Kunst-am-Bau-Projekte, die aufwändig saniert, ja gar rekonstruiert wurden - auch bei Hajek. Etwa seine „Zeichen im Stadtraum“ aus dem Jahr 1980 auf dem Gelände der Bundesbaudirektion in Berlin, die man restaurierte.
Die Kunsthalle Mannheim brachte allerdings im Auftrag der Stadt im Frühjahr 2016 eine Stellungnahme heraus, in der sie für einen Komplettabriss plädierte. Denn ein Erhalt in Teilen - sprich: ohne seinen baulichen Kontext - entspreche aus ihrer Sicht „nicht der künstlerischen Intention“. Ja, die „Herauslösung aus dem architektonischen Zusammenhang” würde nicht mehr den „Absichten seines Schöpfers gerecht“. Das allerdings scheint eine unkorrekte Auslegung von Hajeks Kunst zu sein, wie ein von der Architekturhistorikerin Birgit Nelissen recherchierter Briefwechsel belegt: In den Briefen bezeichnet Hajek die Betonelemente des Reliefs als „einzelne Plastiken” - sie waren für ihn eigenständige Kunstwerke. Zudem hatte er selbst noch im Jahr 2003 - also zwei Jahre vor seinem Tod - zahlreiche Gespräche geführt, um einen neuen Aufstellungsort zu finden, etwa an einer Autobahnausfahrt oder an einer Neckarbrücke.
Ganz verloren sind seine Plastiken glücklicherweise nicht. Und auch eine Bürgerinitiative versucht derzeit, einen neuen Ort im öffentlichen Raum für sie zu finden. Entweder als Teil einer Dokumentation, die die einstige Grundidee von Hajeks Kunst-am-Bau-Projekt erklärt. Oder als Versatzstück eines neuen Kunstwerks, das aus seiner Kunst am Bau entstehen könnte.
Zum Thema:
Alle Teile der Serie
I: Zwischen Staatsauftrag, Marketing und Feigenblatt
II: Das verdammte Image
III: Eine luxuriöse Verbindung
IV: Blühender Beton im Abriss
V: Maß und Übermaß
VI: Manchmal ist schon alles weg
VII: Warten auf Godot
VIII: Und dann kommt Tinos Sängerin
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...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Kühn | 24.11.2016 11:42 UhrKunst am Bau - ein Problem des Denkmalschutzes
Die Werke von Hajek nicht als Kunst am Bau anzuerkennen ist problematisch. Sie sind als Teil der Architektur entworfen und beauftragt worden und damit im echten Sinne Kunst am Bau.
Kunst-am-Bau-Werke des 20. Jh. werden gelegentlich mit ihren Gebäuden unter den Schutz als Denkmal gestellt. Geschützt sind diese Werke dann zweifach. Die Schutzrechte der Urheber sind rechtsgültig ab dem Tag der Veröffentlichung des Werkes. Das Urheberrechtsgesetz gilt bis 70 Jahre über den Tod des Künstlers hinaus.