Smilan Radic hat eins in Chile gebaut, Jean Nouvel in der Toskana und Christian de Portzamparc bei Bordeaux. Sie alle haben in den vergangen Jahren Weingüter entworfen. Aber keines davon ist so unauffällig und angepasst wie der Erweiterungsbau, den Foster and Partners jetzt für Château Margaux in der Region Medoc bei Bordeaux realisiert haben. Für das Weingut, dessen Wurzeln bis ins Mittelalter reichen und dessen Flaschen heute für Preise von bis zu 10.000 Euro gehandelt werden, wendet sich Norman Foster dem ländlichen Bauen zu.
So traditionsreich der Wein, so traditionsreich ist auch das Anwesen, auf dem gekeltert wird. Der Erweiterungsbau von Foster ist die erste bauliche Veränderung des Gebäudeensembles mit seinen Kellereien seit 200 Jahren. Neben der behutsamen Ergänzung beinhalteten die baulichen Maßnahmen auch eine Sanierung des Gebäudebestands mit historischer Orangerie sowie den Bau einer unterirdischen Anlage – einer 70 Meter langen Vinothek –, um die Eingriffe in historischen Baubestand und Landschaft so gering wie möglich zu halten.
Das „Nouveau Chai“, wie sich der Neubau nennt, schließt sich am Ostflügel des bestehenden Komplexes aus dem frühen 19. Jahrhundert an und beherbergt eine Forschungseinrichtung für „die kontinuierliche Suche nach Exzellenz“ des berühmten Weines.
Außen vernakulär, innen Foster: Der Neubau ist im Wesentlichen ein ausladendes Satteldach, das von eleganten Baumstützen getragen wird. Tonziegel, die aus auf dem Gelände befindlichen Ruinen gewonnen wurden, decken die Dachkonstruktion mit ihren Oberlichtern. In ihrer Einfachheit sei die Architektur vernakulärer Bautradition der Umgebung entlehnt, beschreibt Foster und erklärt sich seit jeher begeistert von traditionellen und regionalen Bauweisen, die Bernard Rudofsky als „Architektur ohne Architekten“ beschrieb. Die Idee des großen Dachs sei ihm bei einem Lunch während der Weinernte gekommen, den Angestellte unter einer offenen Scheune abgehalten hätten. Tatsächlich erinnert das zum Süden hin offen geplante Gebäude an Geräteunterstände aus der Landwirtschaft.
Im Inneren des Ergänzungsbaus sowie im neusanierten Bestand verbirgt sich ein hochmoderner Innenausbau in Fosterscher Formsprache; eine weitere nach außen hin sichtbare Maßnahme ist das Öffnen der Südfassade der historischen Orangerie. Das älteste Gebäude, das über die Jahrhunderte mehrfach überformt worden war, rekonstruierte Foster ansonsten in seinem vermeintlichen Originalzustand und fügte den südlichen Wintergarten als neue Zeitschicht hinzu. (lr)
Fotos: Nigel Young / Foster + Partners
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