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12.06.2020

Irrungen und Wirrungen

Was wird aus der Bauakademie in Berlin?


Ein Kommentar von Florian Heilmeyer

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat heute in zweiter Instanz erneut ein Urteil gefällt über die einstweilige Verfügung gegen die Berufung von Florian Pronold als Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie. Moment mal, mögen manche da denken, wieso läuft denn dieses Verfahren noch? Ist das nicht völlig gegenstandslos geworden, hatte Pronold selbst seinen Rücktritt erklärt? So stand es doch in der Presse: „Pronold gibt auf“ schrieb die SZ, „Pronolds Rückzug war überfällig“ die Berliner Zeitung, auf n-tv hieß es „Pronold will Posten nicht antreten“.

Nun ja, so ganz eindeutig war Pronolds Statement dann doch nicht. Er schrieb am 10. März auf seiner Webseite: „Um einen erfolgreichen Start der Bundesstiftung Bauakademie zu garantieren habe ich den Stiftungsrat deshalb gebeten, mich von meiner Bereitschaft, das Amt des Direktors auszuüben, zu entbinden.“ Gebeten von der Bereitschaft zu entbinden... das ist wirklich hübsch formuliert und lässt bestimmte Hintertürchen offen. Jedenfalls hat der Stiftungsrat dieser „Bitte um Entbindung“ bislang nicht entsprochen. Kommentieren wollte man das auch nicht weiter, aus dem Presseamt des zuständigen Bundesinnenministeriums hieß es lediglich, man wolle das laufende Verfahren abwarten „und anschließend über das weitere Vorgehen befinden“. Die Stiftung hatte gegen das erste Urteil des Arbeitsgerichts am 7. Januar Widerspruch eingelegt und hielt auch nach Pronolds Bitte an diesem Widerspruch fest.

Selbst der Vorsitzende Richter war unschlüssig, wie damit umzugehen sei, und wandte sich – juristisch reichlich ungeschickt, menschlich nachvollziehbar – direkt an Pronold. Falls der tatsächlich nicht mehr zur Verfügung stünde, dann könnte man das weitere Verfahren doch einstellen? Als Antwort folgte eine Befangenheitsklage der Bundesstiftung Bauakademie gegen den Richter, da dieser prozesswidrig nicht die Beklagte, also den Stiftungsrat, sondern direkt Pronold angesprochen habe, und diesen auch noch zu einer weitergehenden Erklärung habe drängen wollen. Also Achtung: Hier wurde juristisch weiter scharf geschossen.

So lud heute die 10. Kammer unter Richterin Baer die Streitparteien erneut vor, unter Corona-Bedingungen in einem ganz schön großen Saal, in dem sich nur wenige Zuhörer verloren. Im Kern wurde nicht die Frage verhandelt, ob Pronold ein geeigneter Kandidat war, sondern etwas viel Grundsätzlicheres: Ob das Amt des Gründungsdirektors als „öffentliches Amt“ zu bewerten sei. Dann muss man die Transparenzkriterien bei der Vergabe öffentlicher Ämter erfüllen. Die Bundesstiftung ist zwar durch die Bundesregierung gegründet, aber als „Stiftung bürgerlichen Rechts“ – demnach sei man wie ein privater Arbeitgeber zu werten, so argumentierte der Anwalt der Stiftung. Das Gericht konnte er damit nicht überzeugen. Die Bundesstiftung Bauakademie wird laut eigener Satzung bis auf Weiteres aus öffentlichen Geldern versorgt, soll mit der Bauverwaltung des Innenministeriums den Bau des Akademiegebäudes verantworten und im Stiftungsrat sitzen fünf Mitglieder des Bundesrats, ein Vertreter des Landes Berlin und drei Verterter der beteiligten Ministerien. Der Vorsitz ist außerdem dem Innenministerium zugeordnet, derzeit hat Baustaatssekretärin Anne Katrin Bohle diesen Posten inne. All das sprach für das Gericht eindeutig gegen die argumentierte Staatsferne und Unabhängigkeit, die der neuen Stiftung vom Bundestag angeblich mit auf den Weg gegeben werden sollte. Die Berufung wurde zurückgewiesen.

Was nun?


Das Hauptproblem sind weiter die inhärenten Widersprüche im Aufbau der neuen Stiftung, bei der Formulierung ihrer Ziele und bei der Zusammensetzung von Stiftungsrat und Findungskommission. Die Berufung Pronolds war da eher Symptom als Ursache. Wieso sollte eine Stiftung mit öffentlichem Auftrag nicht auch klar als „Stiftung öffentlichen Rechts“ gegründet werden? Offensichtlich sollte hier derselbe Weg beschritten werden wie bei der Gründung der „Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss“ 2009, ebenfalls eine von der Bundesregierung inittierte Stiftung nach bürgerlichem Recht, die hauptsächlich aus öffentlichen Geldern finanziert wird und als Bauherrin für den Stella-Bau zuständig ist. Dort genießt man quasi die öffentlichen Gelder in Kombination mit den privatwirschaftlichen Freiheiten bei der Stellenvergabe und der Mittelverwendung. Aber hatte man nicht gesagt, dass man bei der Bauakademie die Fehler vom Schloss nicht wiederholen wolle?

Nun wird sich der Stiftungsrat entscheiden müssen, wie mit dem Urteil umzugehen ist. Am unwahrscheinlichsten ist das weitere Festhalten am bisherigen Verfahren und am ausgewählten Kandidaten. Das würde nach diesen zwei eindeutigen Gerichtsurteilen zwingend ein Hauptsacheverfahren nötig machen. Die Entscheidung für eine Neuausschreibung der Direktorenstelle nach allen Regeln eines öffentlichen Amtes ist da wohl wahrscheinlicher. Und es wäre eine echte Chance für den Stiftungsrat, endlich neuen Schwung in dieses bislang so gründlich verkorkste Verfahren zu bringen; es wäre ein Schritt zu auf die vielstimmig geäußerte Kritik, es würde endlich den begonnenen und inzwischen vollständig abgebrochenen Dialog über die Inhalte und Ziele der neuen Stiftung wieder möglich machen, und es würde der gesamten Institution endlich wieder ein glaubwürdiges Fundament geben. All das war seit der Berufung Pronolds im November und der Kritik des Offenen Briefs weitgehend verloren gegangen.

Noch besser wäre es, vor dem neuen Verfahren auch noch einmal über die Zusammensetzung von Stiftungsrat und Findungskommission nachzudenken. Denn das gehörte ja zu den eklatanten Widersprüchen: Einerseits eine „Stiftung bürgerlichen Rechts“ gründen wie eine zivilgesellschaftliche Initiative, auf der anderen Seite aber alle Vertreter der Zivilgesellschaft und von bestehenden Akteur*innen wie der Bundesstiftung Baukultur, der TU Berlin, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, vom Aedes-Forum oder dem DAM in Frankfurt aus dem Stiftungsaufbau und dem Besetzungsverfahren fernzuhalten. Bei den drei Dialogforen 2017 war deren aktive Beteiligung und das Interesse an einer Kooperation mit der neuen Stiftung wichtig gewesen. Wieso wurden diese Ansätze bei der Stiftungsgründung so gründlich unterbrochen?

Stattdessen hat der Stiftungsrat zugesehen, wie sich der Berufungsprozess auch über das heute entschiedene Verfahren hinaus in eine Art Grand-Slam-Turnier für Juristen verwandelte. Weiterhin laufen noch zwei Verfahren in dieser Sache: Gegen die Verbreitung des Offenen Briefs hatte Florian Pronold den Architekturjournalisten von Frei04 Publizistik eine Unterlassungserklärung verschickt, die diese nicht unterschrieben haben. Sie hatten eine Webseite verantwortet, auf welcher der Brief veröffentlicht war und Unterschriften gesammelt wurden. Zuletzt hatten 621 Persönlichkeiten aus der Kultur-, Kunst-, Kuratoren- und Architektenwelt unterschrieben, deren Kritik Pronold bis zuletzt als „Neid und Standesdünkel“ delegitimiert hatte. Nun hat er tatsächlich Klage eingereicht, die erste Verhandlung findet am 2. September in München statt.

Ebenfalls läuft noch die Klage eines Unterzeichners des Offenen Briefs, der wiederum gegen Pronold eine „negative Feststellungsklage“ eingereicht hat, mit der die Veröffentlichung des umstrittenen Briefs im Sinne einer freien Meinungsäußerung wieder ermöglicht werden soll. Die Güteverhandlung vor dem Berliner Landgericht findet allerdings erst am 15. Oktober statt, wenn die dann vielleicht wieder erlaubte (Wieder-)Veröffentlichung des Offenen Briefs eventuell nur noch musealen Wert hat. Das Architekturmuseum der TU Berlin hat jedenfalls schon Interesse an dem Schriftstück angemeldet.

Nun, für Juristen mag das alles so spannend sein wie das Davis-Cup-Duell Boris Becker gegen John McEnroe 1987. Als juristischer Laie und baukulturell Interessierter auf der Tribüne dieses großen Juristenwettstreits will einem jedoch das Popcorn nicht so recht schmecken. Die Bauakademie sollte doch eigentlich nicht vorrangig für juristische Fragen da sein. Viel zu Viele winken im Gespräch bereits ab, wenn sie nur das Stichwort hören. Aber so ein ungeliebtes Findelkind darf dieses Projekt nicht sein. Wenn eine Neue Bauakademie als aktive, lebendige, offene, baukulturelle Plattform wirklich Sinn machen soll, dann muss ihr von Anfang an deutlich mehr Glaubwürdigkeit mit auf den Weg gegeben werden. Dann müssen die vorhandenen Akteure besser eingebungen sein, dann muss es ein wirklich gemeinsames Projekt von Bundesregierung und Zivilgesellschaft werden. Ein solcher Neuanfang ist dem „Projekt Bauakademie“ jetzt wirklich zu wünschen – sonst müsste man sich ernsthaft fragen, ob die Bundesrepublik die bereit gestellten 62 Millionen Euro an öffentlichen Geldern nicht besser erst einmal anderweitig verplant.

Der Autor ist Unterzeichner des Offenen Briefs und war 2017 einer der Verfasser der Zehn Thesen zu einer Neuen Bauakademie.


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Perspektivische Zeichnung von K.F. Schinkel (1833) aus der Sammlung Architektonischer Entwürfe. Montage (2017) von Felix Torkar.

Perspektivische Zeichnung von K.F. Schinkel (1833) aus der Sammlung Architektonischer Entwürfe. Montage (2017) von Felix Torkar.

Die Bauakademie, Gemälde von Eduard Gaertner (1868)

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Poster einer Veranstaltung der Arch+ in der Akademie der Künste Berlin, 2018

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Nun doch noch Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie? Florian Pronold.

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