Vor gut neun Jahren schloss man die Tiegelschule im Essener Nordviertel aufgrund rückläufiger Schülerzahlen. Nach einem dreijährigen Leerstand wurde das historische Schulgebäude von 1909 reaktiviert und 2014 von der Stadtverwaltung als Notunterkunft für Geflüchtete eingesetzt. Schon damals zeichnete sich eine gegenläufige Entwicklung ab. Es wurde deutlich, dass bald wieder ein Mehrbedarf an Eingangsklassen bestehen würde. 2019 lobte die Stadt Essen schließlich einen Wettbewerb für einen Grundschulneubau aus. Die Kosten für den 16,3 Millionen teuren Bau werden von NRW-Landesförderprogramm „Gute Schule“ getragen.
So groß die Freude über den Schulneubau ist, so sorgte das Vorhaben auch für einige Kontroverse. Der schulpolitische Sprecher der lokalen Ratsfraktion der Grünen stellte sich zu Beginn gegen den Abriss des seiner Ansicht nach „stadtbildprägenden und denkmalwürdigen Gebäudes der Tiegelschule“. Gebaut wurde es von dem Architekten und Henry Ford-Freund
Edmund Körner, der unter anderem auch die Alte Synagoge in Essen und die Ford-Werke geplant hat. Die vorgeschlagene Sanierung des durchaus interessanten, wie ein alpines Sanatorium anumtenden Schulgebäudes wurde 2017 zugunsten eines Abrisses entschieden.
Auf dem 7.800 Quadratmeter großen städtischen Grundstück werden nun rund 4. 400 Quadratmeter Bruttogrundfläche entstehen. Neben mehr Platz gibt es auch ein innovatives Konzept: Als inklusive Universitätsschule wird sie eine Kooperation mit der Uni Duisburg-Essen eingehen. Von dieser Partnerschaft erhofft man sich neben experimentellen Formaten und moderner Unterrichtsgestaltung auch eine größere Durchmischung der Schülerschaft. Die kommt bisher mehrheitlich aus wirtschaftlich benachteiligten Haushalten.
Die neue Schule mit Ganztagsbetrieb basiert räumlich auf überschaubaren Einheiten, in denen Schüler und Schülerinnen den Großteil ihres Tages verbringen. Die sogenannten „Tandems“ bieten Räume für jeweils zwei Klassen beziehungsweise Lerngruppen, in denen sowohl jahrgangsbezogener als jahrgangsgemischter Unterricht stattfinden soll. Neben den Fachräumen und Werkstätten wird es auch Räume für Beratung und Therapie geben. Hinzu kommen mehrere Gemeinschaftsbereiche, eine große Aula und eine Einfeldsporthalle. Natürlich gehören auch Räume für Schulleitung und Personal zum Programm.
Die Jury unter Vorsitz von
Martin Halfmann vergab unter den 32 teilnehmenden Büros drei Preise und eine Anerkennung:
Der Gewinnerentwurf von
Wannenmacher + Möller überzeugte die Jury mit einem pragmatischen Ansatz; die Kompaktheit des Baukörpers wird als „wirtschaftlich und energetisch sinnvoll“ befunden. Weiterhin lobte sie die städtebauliche Einbindung des dreigeschossigen Schulgebäudes, das sich wie „selbstverständlich in die Häuserzeile der Tiegelstraße einfügt“. Auch böte das „nutzungsoffen ausgelegte Freiflächenkonzept“ gute Optionen zur Vernetzung mit dem Quartier.
Ein gelungener Umgang mit der Topographie des Grundstücks sowie die Gruppierung um einen historischen Baum wird von der Jury bei dem zweiplatzierten Entwurf von
Kersten Kopp Architekten als positiv bewertet. Innenräumlich gefiel hier die übersichtliche Gliederung der Grundrisse und die nachgewiesene gewünschte Zusammenschaltbarkeit der Klassenräume.
Der drittplatzierte Entwurf von
Lamott. Lamott Architekten überzeugt die Jury mit seiner „eindrucksvoll in der Höhe gestaffelten“ zentralen Halle, kritisiert wird jedoch zu geringe Tageslichttransmission der Innenhöfe sowie die Platzierung der Turnhalle zentral vor dem Schulgebäude. Auch die Organisation der „Kiss & Ride“-Zone wird funktional nicht als überzeugend betrachtet.
(kg)
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