Wie umgehen mit dem Verlorenen? Auch in Warschau gibt es im Stadtbild noch Leerstellen durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Nun hat die konservative Regierung Gelder für eines der größten Rekonstruktionsprojekte in Aussicht gestellt: Für 530 Millionen Euro soll das Sächsische Palais ins nördlichen Stadtzentrum zurückkehren. Den Architekturwettbewerb gewann das Warschauer Büro WXCA. Von diesem Büro stammten auch die Entwürfe für die jüngst fertig gestellten politischen Prestigeprojekte Museum der Polnischen Geschichte und Museum der Polnischen Armee auf dem ehemaligen Zitadellengelände.
Über die Rekonstruktion des Sächsischen Palais ist in Warschau schon lange diskutiert worden. Das Palais gilt als eines der bedeutendsten barocken Stadtschlösser in Polen. August der Starke hatte, als er im 18. Jahrhundert König von Polen war, eine ältere Stadtvilla erheblich umgestalten lassen. Damit wurde das Sächsische Palais zum Hauptbestandteil der „Sächsischen Achse“, einer barocken Stadtachse, die von den Königlichen Reiterkasernen in Ost-West-Richtung bis zum heutigen Józef-Pilsudski-Platz verlief.
Vernichtet wurde das Palais im Herbst 1944 durch die deutsche Wehrmacht, als diese weite Teile des Warschauer Zentrums zerstörte. Ganz gezielt hatte man damals etliche herausragende Gebäude der polnischen Geschichte vernichtet, um nach dem Warschauer Aufstand eine „deutsche Stadt“ neu zu errichten. Vom Sächsischen Palais blieb nur ein Fragment des Säulengangs erhalten, in dem seit 1925 das „Grabmal des Unbekannten Soldaten“ eingerichtet worden war. In den 2000er-Jahren gab es archäologische Grabungen, mit denen der Wiederaufbau vorbereitet werden sollte, aber die Finanzkrise beendete die Pläne vorerst.
Der Architekturwettbewerb, der nun entschieden wurde, formuliert sogar noch größere Ziele: Nicht nur das Palais soll in seiner Form von 1939 neu entstehen, sondern auch das angrenzende Brühlsche Palais in seiner modernisierten Fassung aus den 1930er Jahren sowie drei Bürgerhäuser aus dem 19. Jahrhundert an der Królewska Straße. Man erhoffe sich davon, so Kulturminister Piotr Glinski, einen „symbolischen Meilenstein“ in der Wiederherstellung von Warschaus historischem Glanz. Dabei zeigen die Argumentationslinien der gesellschaftlichen Debatte Parallelen zu den Debatten in Potsdam, Berlin, Dresden oder Frankfurt am Main.
Die originalgetreue Wiederherstellung der Fassaden war vorgegeben, also blieb für die Architekt*innen vor allem die Frage zu lösen, wie der hochmoderne Inhalt mit der Hülle in Einklang gebracht werden kann. Ins Sächsische Palais sollen der polnische Senat einziehen, die Regionalregierung der Woiwodschaft Masowiens sowie mehrere kulturelle Einrichtungen – eine Art Volkspalast. Die Jury vergab drei Preise:
Die drei prämierten Arbeiten unterscheiden sich vor allem in der internen Organisation sowie im Umgang mit dem Originalfragment und dem Grab des Unbekannten Soldaten. WXCA setzen das Denkmal von den anderen Bereichen ab, indem sie direkt daneben die Räume für die archäologischen Grabungen legen. Ansonsten sei der Neubau eine Chance, so die Architekt*innen, eine neue Struktur in das Ensemble zu bringen.
Die Innenhöfe, die historisch als Hinterhöfe zur Anlieferung und Lagerung dienten, sollen jetzt zu einer Kette von verbundenen öffentlichen Räumen werden. Die Hoffassaden sollen einen „zeitgenössischen architektonischen Ausdruck“ erhalten, „der sich auf die Proportionen und Geometrien der historischen Formen bezieht“. Mit den Arbeiten soll zügig begonnen werden. Bis 2030 könnte das Ensemble dann bereits fertig sein. (fh)
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Karim | 17.11.2023 14:10 Uhr
Nice
Da müssen die EU-Transferzahlungen aber nochmal ordentlich aufgestockt werden ;) Von Warschau können sich deutsche Städte heutzutage alles abschneiden: Kultur, Rekonstruktionen, moderne Architektur, Sauberkeit, Urban Design - alles richtig gemacht.
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arcseyler | 17.11.2023 10:01 Uhr
.........
Flachdach war schon im Barock angedacht. Jedenfalls täuschen Barockgeländer ein solches vor. Warum heute nicht damit wahr machen als natürliche obere Ebene. Vom Schein zum Sein.
Palast mit Loch in der Mitte und damit wird dem Raum Vorrang gegeben nicht nur in der Vertikale sondern auch schon in der Horizontale. Das ist der moderne Kick
Mein Kommentar
1. Platz: WXCA, Rekonstruktion des Sächsischen Palais, Blick nach Südwesten auf die Sächsischen Gärten
2. Platz: FS&P Arcus mit Krzysztof Ingarden und Jacek Ewy, Blick über das rekonstruierte Sächsische Palais, links der Sächsische Garten, rechts der Pilsudski-Platz
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Karim | 17.11.2023 14:10 UhrNice
Da müssen die EU-Transferzahlungen aber nochmal ordentlich aufgestockt werden ;) Von Warschau können sich deutsche Städte heutzutage alles abschneiden: Kultur, Rekonstruktionen, moderne Architektur, Sauberkeit, Urban Design - alles richtig gemacht.