RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Vier_Buendnisse_und_ihre_Forderungen_9851374.html

05.03.2025

Zurück zur Meldung

Bauwende jetzt erst recht

Vier Bündnisse und ihre Forderungen


Meldung einblenden

Im Bundestagswahlkampf spielte Klimaschutz keine Rolle, von Baukultur ganz zu schweigen. Umso wichtiger, dass sich die Baubranche jetzt, da die neue Bundesregierung den Kurs der kommenden Jahre aushandelt, mit Forderungen positioniert. Wir schauen auf vier Bündnisse, die für eine Bauwende kämpfen.

Von Maximilian Hinz

Die Ampelregierung hatte sich viel vorgenommen, um klimagerechtes Bauen in Deutschland voranzubringen. Vergleichsweise wenig ist passiert. Zwar hatte das Kabinett die Baugesetznovelle beschlossen, die unter anderem Aufstockungen und Bestandsanpassungen erleichtern soll und Regelungen zur Lebenszyklusbetrachtung formuliert. Und auch der von vielen erwartete Gebäudetyp-e hatte das Kabinett passiert. Doch beides konnte nach dem Bruch der Koalition die parlamentarischen Hürden zum Gesetz nicht mehr nehmen.  

Laut einem Bericht der Lobbyorganisation Agora Energiewende (tagesschau) hat Deutschland seine selbstgesteckten Klimaziele für 2024 zwar übertroffen, die europäischen Marken aber verfehlt – vor allem wegen der Sektoren Verkehr und Gebäude. Ein Grund dafür sind entgegengesetzte Interessen innerhalb der Baubranche.

Auf der einen Seite fordern Vertreter*innen der Bau- und Immobilienindustrie immer lauter, den Klimaschutz zugunsten von mehr Bautätigkeit zurückzustellen, um schnell viel und günstig Wohnraum schaffen zu können – auch auf der grünen Wiese. In eine derartige Richtung zielte etwa die vom Bundesbauministerium angestoßene Bau-Turbo-Norm im Baugesetzbuch (Sonderbauregelung § 246e), die zuletzt auch FDP und CDU umsetzen wollten. Demgegenüber setzen sich beispielsweise die Bundesarchitektenkammer und Architects 4 Future (A4F) für die Priorisierung von Bestandsumbau (etwa durch die Muster-UMbauordnung) und angemessene CO2-Preise ein. Weiter fordern sie, unversiegelte Flächen zu schonen und Abrisse zu vermeiden, statt sie zu fördern.

In diesem Sinne haben sich im vergangenen Jahr mehrere Bündnisse unter der Überschrift Bauwende formiert. Sie werden von untereinander gut vernetzten Akteuren getragen, die sozial-ökologische Architektur längst zu ihrer Lobby- und Forschungsaufgabe gemacht haben. Teils sind es dieselben Initiativen oder Personen, die sich so auf verschiedene Weisen politisches Gehör verschaffen. Ihre Aufrufe und Offenen Briefe haben auch BauNetz im Zuge der Neuwahlen erreicht. Allen voran A4F, die nebst eigener Forderungen viele der Bündnisse unterstützen oder mitaufgebaut haben.



Bauwende Allianz – Vernetzung außerhalb der Blase

Die frisch gegründete Bauwende Allianz setzt auf Zusammenarbeit weit über Fachgrenzen hinaus. Über 500 Personen aus Planung, Forschung, Finanzwelt und Politik trafen sich zum digitalen Launch im Januar. Hinter der Initiative steht die gemeinnützige Organisation ProjectTogether, die sich auf die Steuerung gesellschaftlicher Transformationen spezialisiert hat. Für Aufbau und Weiterentwicklung der Bauwende Allianz kooperieren sie in erster Linie mit Bauhaus Erde. Darüber hinaus zählt das Netzwerk mittlerweile 170 Mitgliedsorganisationen. Dass darunter neben A4F, Concular und Madaster auch beispielsweise das Umweltbundesamt, kommunale Verwaltungen und Stadtentwicklungsbehörden sowie die Deutsche Kreditbank DKB, die Greyfield Group oder ZINQ Technologie zu finden sind, lässt auf breit angelegte Strategien hoffen.

In ihrer Anfangsphase will die Bauwende Allianz Vorbildprojekte aufzeigen, Finanzierungskonzepte für ökologische wie soziale Vorhaben entwickeln und Regulierungen erarbeiten, die Planung, Zivilgesellschaft und Bauindustrie berücksichtigen. Wir haben die Allianz gefragt, welche Ansätze sie im Bereich der Gesetzgebung sehen:

  • eine verbindliche Lebenszyklus-Emissionsgrenze und Zirkularitätsnachweise bei Baugenehmigungen einführen
  • einen verminderten Mehrwertsteuersatz für Sanierungen und erleichterte Umnutzung von Gewerbe- in Wohnflächen: So soll auch die Bauwirtschaft angekurbelt werden.
  • vereinfachte Verfahren für Umbau und Sanierung
  • Fast-Track-Verfahren für nachhaltige Bauprojekte

bauwende-allianz.org

Anti-Abriss-Allianz – Die Beweislast umkehren

Die Ende 2024 im Rahmen der Leipziger Denkmalmesse gegründete Anti-Abriss-Allianz (AAA) will der Politik auf Bundes- und Landesebene helfen, Gebäudeabrisse zu vermeiden und fordert eine Umkehr der Beweislast: Nicht nur wer baut, braucht eine Genehmigung, sondern auch wer abreißen will. Dafür erarbeitet das interdisziplinäre Bündnis konkrete Handreichungen. Hervorgegangen ist das Bündnis aus einem Netzwerk für Rote Listen im Kulturerbeschutz, das KulturerbeNetz.Berlin, Denkmalnetz Bayern und der Deutsche Verband für Kunstgeschichte aufbauten. Nun gehört eine lange Liste an Bündnispartnern dazu, darunter das Abriss-Moratorium, A4F, Bauhaus Erde, die Architektenkammer Berlin und der BDA, aber auch lokale Initiativen, die sich für einzelne Bauwerke engagieren.

Erste Vorschläge hat uns AAA auf Nachfrage bereits dargelegt:

  • Abrisse sollen in den Landesbauordnungen wieder genehmigungspflichtig werden. Dafür müssten eine Treibhausgasbilanz sowie ein Konzept für Rückbau und Entsorgung nachgewiesen werden.
  • Genehmigungen von Umbauten in den Landesbauordnungen sollen vereinfacht werden.
  • Ein behördlicher Leerstandskataster soll mehr Zwischennutzungen ermöglichen.

kulturerbenetz.berlin/anti-abriss-allianz

HouseEurope! – Ein Recht auf Wiederverwendung in Europa

Die Initiative HouseEurope! um Olaf Grawert und Arno Brandlhuber will die Bauwende über eine Bürgerinitiative auf europäischer Ebene voranbringen. Mit einer Unterschriftensammlung können Menschen die EU-Politik in Form von Gesetzesvorschlägen direkt adressieren. Wenn eine Million EU-Bürger*innen aus mindestens sieben Mitgliedstaaten das Anliegen unterstützen, muss sich die Europäische Kommission damit auseinandersetzen. Bis 31. Januar 2026 müssen die Stimmen beisammen sein.

Dabei geht es um ein „Recht auf Wiederverwendung für bestehende Gebäude“. Die Forderungen:

  • Sanierungsarbeiten von der Mehrwertsteuer befreien, ebenso Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen oder wiederverwendete Materialien
  • verbindliche Standards für die Risikobewertung von Bestandsbauten im EU-Binnenmarkt: Aktuelle Standards führten zu einem verzerrten Bild, da sie die Vorteile gegenüber Neubauten nicht einrechnen und so Investitionen erschwerten.
  • Intertemporale Ökobilanzen einführen, die den Wert grauer Energie abbilden

Um ihr Anliegen europaweit zu verbreiten, arbeiten HouseEurope! in den jeweiligen Ländern mit lokalen Partnern zusammen. In Deutschland sind es A4F.

houseeurope.eu

Hochschulnetzwerk – „Greifen Sie auf unsere Expertise zurück!“

Druck kommt auch aus der akademischen Welt, wo die Themen der Bauwende längst Usus sind. Das im Sommer 2024 gebildete Hochschulnetzwerk „Gemeinsam für die Bauwende“ versammelt Mitglieder von A4F sowie mittlerweile über 200 Lehrende deutscher Hochschulen. Kurz vor der Bundestagswahl lancierten sie einen Offenen Brief. Darin fordern sie die neue Bundesregierung auf, klima- und ressourcengerechtes Bauen als Priorität in das Regierungsprogramm aufzunehmen und zu einer Versachlichung der Debatte zurückzukehren. „Bekennen Sie sich zu den Forderungen aus der Wissenschaft! Sprechen Sie uns an und greifen Sie auf unsere Expertise zurück!“, heißt es darin.

Zu den zehn Forderungen des inhaltsschweren Papiers zählen:

  • die Reduktion von Flächenbedarfen: Damit sind die Umnutzung von Leerständen, die Verhinderung von Kurzzeitmieten oder politische Anreize für eine Reduktion der Wohnflächen (aktuell durchschnittlich knapp 50 Quadratmeter pro Person) gemeint.
  • Gesetze und Regularien grundsätzlich auf den Umbau, nicht an Neubaustandards ausrichten
  • Lowtech-Konzepte bevorzugen und den Gebäudetyp-e weiterentwickeln, um Baukosten und Ressourceneinsatz zu senken
  • eine ganzheitliche CO2-Bilanzierung und Grenzwerte für Treibhausgas-Emissionen ins Gebäudeenergiegesetz aufnehmen
  • die Kompetenzen des Bundesbauministeriums ausweiten

tu.berlin


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

3

sf o | 06.03.2025 14:30 Uhr

gut,

aber das Ganze bedarf viel weiter umfassender gesellschaftlicher Diskurse. Zumal, wie auch @Hinrich Schoppe hier verdeutlicht: 2029 will die AfD bei 30% + liegen. Alleine für die Kammern müsste es heißen:
- Bestandssanierung muss per Stundenaufwand kalkuliert werden: dies ist intensiver bei Politik und Gesellschaft anzubringen als etwa der Gebäudetyp e, der letztlich eher wieder viele vertragliche Regelungen und damit auch Schwellenängste im Vorfeld bedingt
-Steuererleichterungen für Bestandssanierung sind ja in einigen Forderungen enthalten,
- zusätzlich müssten HWK und IHK viel offensivere Förder- und Werbungsprogramme für Kids auflegen,
- und die Schnittstellen von Architekturen und Städtebau und zwischen Kommunen und Regionen müssten deutlicher bearbeitet / erörtert werden,
- und
- und
- und.
Aber grundsätzlich: weiter gehende Vernetzung ist erst einmal gut. Prima. Bin ja auch bei a4f.

2

M. | 05.03.2025 16:36 Uhr

Super!

Geld sollte jetzt bald ja wieder genug da sein.

1

Hinrich Schoppe | 05.03.2025 16:23 Uhr

Geduld...

... geht mir schon lange aus, wenn ich den "Entscheidern" bei ihrer tätigkeit zuschaue.

Dennoch darf sich der mündige und zudem fachkundige Bürger in solcher üben, anstatt selber zum Hammer zu greifen und diese Herrschaften mal ausnahmsweise ihrer eigenen Buden zu berauben.
Natürlich ganz ökologisch, nur mit Muskelkraft, so als Ausgleich zum öden Bürorumgeklicke.

Interessant ist dabei, dass selbst die AfD, die sonst kein Trittbrett auslässt NICHTS aber auch GAR NICHTS in diese Richtung versucht, um sich erfolgreich von den Bau- und vor allem Abbruchlobbyisten abzugrenzen.
Dabei würde jeder Bestandsumbau die heimische Scholle schonen und das heimische Handwerk stärken. So es noch welches gibt.

Ich kann nur hoffen, dass die diversen Interessensverbände Zugang in die informierten und verhindernden Kreise finden. Bald.
Auch gerade für eben diese, sonst findet sich doch irgendwann jemand der dafür sorgt, dass die "richtigen" Personen unter dem gerade laufenden Abbruch stehen werden.
In Berlin ist der Abbruch gerade so groß, da passt der halbe Senat rein...
Danke.

 
Mein Kommentar
Name*:
Betreff*:
Kommentar*:
E-Mail*:

(wird nicht veröffentlicht)

Zur Durchführung dieses Service werden Ihre Daten gespeichert. Sie werden nicht an Dritte weitergegeben! Näheres erläutern die Hinweise zum Datenschutz.


Die Eingabe einer E-Mail-Adresse ist zwingend, um einen Kommentar veröffentlichen zu können. Die E-Mail ist jedoch nur durch die Redaktion einsehbar und wird nicht veröffentlicht!


Ihre Kommentare werden nicht sofort veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.



Bild: Felix Sonsalla / Midjourney

Bild: Felix Sonsalla / Midjourney


Alle Meldungen

<

05.03.2025

Glaube zwischen Straße und Trasse

Kirchenbau in Pforzheim von Bez + Kock

05.03.2025

Pritzker-Preis 2025

Liu Jiakun ausgezeichnet

>
BauNetz Themenpaket
Baustoff statt Abfall
BauNetz Wissen
Saunieren im Fjord
baunetz interior|design
Designstar des Nahen Ostens
BauNetz Ausschreibungen
Ausschreibung der Woche
vgwort