Fliegende Fische auf der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek, Finger, die eine Schreibmaschine zum Erzählen bringen, zerbröselnder neongrüner Backstein auf dem letzten besetzten Haus in der Gerberstraße, der lautlos zu Boden fällt - surreale Welten in der Dunkelheit, fünf Meter hohe Videoprojektoren vor historischen Fassaden, internationale Künstler mit einer Thüringer Bratwurst in der Hand – das alles gehört zum Fassadenprojektions-Festival „Genius loci“. Seit sechs Jahren ist Weimar drei Augustnächte lang, 2017 vom 11. bis 13. August, in den Händen der digitalen Bohemé.
Hier ist der Name „Genius loci“ auserwähltes künstlerisches Programm und Stadtmarketing zugleich. Hier geht es um die viel diskutierte Teilhabe in der Stadt. Jeder kann dabei sein, alle haben ein gemeinsames, schönes Erlebnis mit digitaler Kunst auf der Straße im Zusammenspiel mit Architektur, Design, Lichtkunst und Musik. Das Festival bespielt jedes Jahr drei verschiedene, immer wieder neue Fassaden der Klassikerstadt. Anders als bei anderen Lichtfestivals geht es bei „Genius Loci“ um einen genauen Ort, dessen Geist und Geschichte. Zu den drei Bauwerken gehören im 500. Jahr der Reformation die Herderkirche, das Cranachhaus und die Notenbank (Alte Staatsbank).
Zwischen 21.30 und 24 Uhr projizieren Videokünstler u.a. aus Tokio ihre Bildgeschichten in der Innenstadt. Bevor es soweit ist, mussten sich die Teams bis Februar in einem international ausgeschriebenen Wettbewerb (Preisgeld 45.000 Euro) bewerben. Eine Fachjury entschied, und auch die Weimarer hatten Mitspracherecht. Die Miniatur-Modelle wanderten dazu durchs Stadtzentrum. Voraussetzung ist, sich mit der Geschichte und Gegenwart dieser Weimarer Orte auseinanderzusetzen. „Genius Loci“-Kopf Hendrik Wendler hat eine Software für die passgenaue Livepräsentation auf der Fassade entwickelt, die von den Künstlern genutzt wird.
Eine digitale Wegemarkierung vernetzt 2017 die Gebäude untereinander. Jedes Jahr gibt es auch das „Genius Loci Lab“, ein Live-Laboratorium. Der Nachwuchs zeigt in diesem Jahr – so prominent wie noch nie – auf dem Theaterplatz, wie Pixel, Architektur und Licht synchronisiert werden können. Außerdem gibt es ein audiovisuelles Live-Kino mit drei Shows, die im Lichthauskino präsentiert werden. Erstmals findet auch der „Genius loci Talk“ am Festival-Samstag im Weimarer E-Werk statt.
Termin: 11. bis 13. August 2017, 21.30 bis 24 Uhr, Weimarer Altstadt
Interview mit Festival-Chef Hendrik Wendler in der baunetzwoche
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