Die Schwiebusser Straße in Berlin-Kreuzberg ist eine Straße, die ziemlich genau in der Mitte geteilt ist. Die östliche Hälfte ist von Wohnungsbau geprägt – nördlich von Mietskasernen aus dem 19. Jahrhundert, südlich von Neubauten rings um die Columbiahalle. Die westliche Hälfte dominieren die Rückseiten der massigen Verwaltungsbauten, die als Teil des Flughafens 1935-1939 um den Platz der Luftbrücke angelegt wurden. Die viergeschossigen Bauwerke mit Fassaden aus Muschelkalkplatten und ihrem strengen Fensterraster wirken seltsam unpassend in der bescheidenen Straße. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen wenige schlichte Nachkriegswohnbauten, dazu das Gelände der Bockbrauerei, das zu einem Geschäfts- und Wohnviertel umgebaut wird. Genau zwischen den Wohnbauten und der alten Brauerei, vis-à-vis der kolossalen NS-Gebäude, hat sich nun das Unionhilfswerk Berlin, ein sozialer Träger, einen Verwaltungsneubau errichtet. Der Entwurf stammt von Baumschlager Eberle Architekten (Berlin), die einen nicht-offenen Wettbewerb gewonnen hatten.
Der fünfgeschossige Neubau schließt im Norden an das bestehende Pflegewohnheim des Hilfswerks an und verbindet sich dort direkt mit dem Treppenhaus des Altbaus. Nach Osten bildet der Neubau eine geschlossene Brandwand für die kommende Nachbarbebauung auf dem Brauereigelände. Nach Süden und Westen zeige er, so die Architekt*innen, eine „kraftvolle Lochfassade“ mit stehenden Fensterformaten, umlaufenden Faschen und tiefen Laibungen, die für eine „klare Ordnung“ sorgten. In seinem heterogenen Umfeld schaffe das Gebäude mit seinem einfachen, kompakten Volumen Ruhe. Man könnte auch sagen, dass sich die Architektur ohne große Berührungsängste auf die NS-Verwaltungsbauten gegenüber bezieht – auch die Traufhöhe ist trotz eines Geschosses mehr dieselbe.
Ins Volumen haben Baumschlager Eberle Architekten zwei Einschnitte gesetzt. Der eine ergibt im obersten Geschoss eine Terrasse nach Südwesten, der zweite formt im Erdgeschoss den Eingangsbereich, der von der Straße zurückgezogen und so überdacht wird. Betritt man das Haus durch die unauffällig schmale Tür, gelangt man ins Atrium, das mit seinen geschossweise versetzten Öffnungen das Zentrum des Hauses bildet. Das gebäudehohe Atrium lässt Licht in alle Etagen fallen und bietet Orientierung und Zugang zu allen Räumen. Die raumhohen Glaswände der Besprechungs- und Wartebereiche setzen die Idee von Offenheit im Inneren fort, können bei Bedarf aber auch mit Gardinen geschlossen werden.
„Dank seiner kompakten Form und der monolithischen Mauerwerksfassade ist das Gebäude sehr energieeffizient“, schreiben Baumschlager Eberle Architekten weiter. Die Speicherwirkung sorge dafür, dass die Innenräume nur an wenigen Tagen im Jahr überhaupt temperiert werden müssen, Heizen und Kühlen erfolgt über eine reversible Wärmepumpe und eine PV-Anlage. Das Ziel sei, bei bestem Raumklima einen Gesamtprimärenergiebedarf von 100 kWh pro Quadratmeter im Jahr nicht zu überschreiten. (fh)
Fotos: Ulrich Schwarz, Berlin, Gerd Jäger
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Max | 09.11.2022 14:33 Uhr@Sam
Wer nichts von Architektur weiß, sieht vielleicht zwei Häuser, die halbwegs zusammenpassen. Ok.
Wer etwas davon versteht, sieht links NS-Architektur und rechts ein Energiekonzept (2226 winkt noch von Weitem). Auch ok.