Von Lorenz Potocnik
Das Ensemble der Tabakfabrik in Linz umfasst 80.000 Quadratmeter Nutzfläche. Es ist ein architektonisches Highlight in der Stadt, nicht zuletzt wegen des denkmalgeschützten Teils von Peter Behrens und Alexander Popp aus den 1930er Jahren. Jetzt sollen die als „Bauteil 3“ bezeichneten, minderwertigen Hallen und Büros aus den 1980er Jahren einem Neubau und somit besserer Verwertung Platz machen. Das Gremium eines Bieterverfahrens empfahl das Projekt von Zechner & Zechner (Wien) und der Bodner Gruppe einstimmig für die Realisierung. Der Vorschlag polarisiert. Nicht nur, weil er wie aktuell so oft in Linz ohne städtebaulich nachvollziehbaren Grund in die Höhe schießt, sondern auch, weil der Umgang mit dem Architekturjuwel von Peter Behrens fragwürdig ist.
Auf Brautschau
Im Jahr 2009 hat die Stadt Linz die Tabakfabrik für 17 Millionen Euro von der Japan Tobacco International gekauft. Zu Blütezeiten wurden hier tausende Zigaretten in der Minute hergestellt, zuletzt mit rund 400 Beschäftigten. Durch die Verlagerung der Produktion und den Verkauf standen schlagartig 80.000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung. Seitdem, aber vor allem in den letzten zwei Jahren, füllen sich diese Räume wieder – hauptsächlich mit Firmen aus der Kreativwirtschaft.
In einem Bieterverfahren hatte die hochverschuldete Stadt deshalb einen Investor gesucht, „der auf eigenes Risiko, unter Einbindung eines international anerkannten Büros, in Abstimmung mit den Vorgaben der Stadt und der Tabakfabrik auf Basis eines Baurechts ein architektonisches Landmarkprojekt realisieren und verwerten möchte”. Die künftige Nutzung solle „im Einklang mit der Grundausrichtung der Tabakfabrik“ stehen, hieß es vage. Ein Hotel wäre schön, Wohnen wurde hingegen ausgeschlossen, dafür fiel das Zauberwort „Start-ups“. Zusätzlich wollte die Stadt eine Tiefgarage, eine Straßenbahnstation und nicht zuletzt rasch Geld für den Ausbau und die Nutzung der großen Magazine im hinteren Bereich. Geld, das die hochverschuldete Stadt nicht selbst aufbringen kann. Trotzdem will sie das Grundstück – völlig zurecht – nicht verkaufen, und vergibt das Areal des „Bauteil 3“ im Erbbaurecht.
Was die Stadt in der Auslobung des Bieterverfahrens nicht vorgab, waren Aussagen zu verträglichen Volumen oder eine städtebauliche Vision. Denn weder hatte es im Vorfeld einen städtebaulichen Wettbewerb, noch ein kooperatives Verfahren gegeben, welche die Zielsetzung der Stadt für die Tabakfabrik mit Investoren und Mietern in der Fabrik hätte klären können. Offenbar wollte man keine Investoren abschrecken und stattdessen „Offenheit“ signalisieren.
Reicher Bräutigam
In einem zweistufigen, geheimen Verfahren wurden nach einer Vorauswahl vier Teams in die nächste Runde geschickt. Nach der städtebaulichen und standortbezogenen Bewertung empfahl ein Gremium das Projekt von Zechner & Zechner gemeinsam mit der Bodner Gruppe einstimmig für die Realisierung. Mit Bodner hatten die Architekten einen soliden Konzern gefunden, der für hochwertige Immobilien bekannt ist. Die Vorschläge der anderen Teams wurden bisher nicht veröffentlicht.
Für sich genommen ist der Entwurf ganz okay, ein Zusammenspiel mit dem historischen Bestand ist auf den ersten publizierten Bildern jedoch nicht zu erkennen. Die sind so gesehen einerseits „ehrlich“, denn viel wird vom Peter-Behrens-Bau in Zukunft und aus der Innenstadt kommend wirklich nicht mehr zu sehen sein, andererseits aber auch „absichtlich“, denn das Projekt von Zechner & Zechner steht offenbar hauptsächlich für sich selbst, als Landmarke. Unabhängig von der Architektur offenbart der Vorschlag auch den enormem Verwertungsdruck, der auf der Immobilie und nun auch auf dem Konsortium lastet: Ein Hochhaus von 81 Metern, dazu drei weitere, eng verschlungene L-förmige Baukörper, die die zum Teil unsinnige Bauflucht der alten Halle übernehmen, und die sogar an den ursprünglichen Kopfbau des „Bauteils 2“ anschließen und ihn zum Blockrand degradieren.
Und das ist vielleicht auch das eigentliche Problem des Projekts: It's almost alright – an vielen anderen Orten –, aber es ist nicht das bisher fehlende Passstück für die Tabakfabrik. Ursächlich für diese Fehlbesetzung sind aber nicht die Investoren oder die Architekten, sondern die Auslobung, die zu viel will und gleichzeitig zu viel offenlässt. So gibt es nur ein weiteres neues „Landmark“ – eines von vielen auf einer in Linz schon unübersichtlich wachsenden Liste.
Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, innezuhalten und den Prozess nochmals zu öffnen. Jetzt, da der verlässliche Partner gefunden wurde, kann nachgeholt werden, was bisher versäumt wurde: Mit den bestehenden Mietern kann am eigentlichen Spirit, nämlich der Community der ganzen Tabakfabrik, weitergearbeitet, es können Nutzungen zwischen Alt und Neu verwoben werden. Auch die genauen Volumen können im Zuge dessen noch einmal fein geschliffen werden. Der Abriss von „Bauteil 3“ soll 2020 beginnen.
Zum Thema:
Lorenz Potocnik, Jg. 1971, ist Stadtentwickler, Autor und Kommunalpolitiker in Linz. Er studierte Architektur in Wien, Delft und Portsmouth. 2008 absolvierte er einen Forschungsaufenthalt am MIT in Boston.
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Gerhard Pötscher | 14.05.2019 16:21 UhrStadtökologie heute ?
Wieder ein Beispiel, das zeigt, dass die von der SPÖ geführte Stadtpolitik dem Geld und nicht den Menschen verpflichtet ist !
Gerade heute wäre es an der Zeit, Strukturen zu schaffen, die beruhigend auf Mensch und Natur wirken. Mit Bedacht gewählte kleinräumige Verdichtung und geeignete Größenverhältnisse zwischen Bauten und Grün lassen Räume größer wirken und ergeben ein angenehmes, lebendiges Miteinander.
Der Ausbau von Geh-, Rad- und Öffis ist dabei das geeignete Verkehrskonzept.
Leider "verbaut" im wörtlichsten Sinn die Linzer Stadtpolitik unsere Zukunft !