Dass sich der Fokus langsam aber sicher auf den Erhalt von Bauwerken richten sollte, kam offensichtlich nicht überall an. Noch immer gehören Abrisse zur täglichen Praxis. Darauf macht nun eine Plakat- und Veranstaltungsserie in Mannheim aufmerksam, die sich bedrohten Nachkriegsbauten der Stadt widmet. „Gefährdete Arten – Erhalt vs. Abriss in Mannheim“ ist der passende Titel. Das Projekt entstand aus der Zusammenarbeit von MOFA – Mannheims Ort für Architektur und dem BDA Baden-Württemberg, auf dessen gleichnamiger Ausstellung Anfang des Jahres die Veranstaltungsreihe basiert. Auf den durch die Stadt wandernden Plakaten werden die bedrohten Bauten nun im öffentlichen Raum Mannheims gezeigt. Die erste Station ist am Montag, 11. September 2023 auf dem Vorplatz der Trinitatiskirche.
Die Kirche, 1957–1959 nach Plänen des 2015 verstorbenen Helmut Striffler errichtet, ist eines dieser gefährdeten Bauten. Seit 2021 existiert ein Abbruchantrag für ihren Glockenturm. Und damit ist er nicht allein. Auf der „Roten Liste“ stehen sechs weitere Nachkriegsgebäude und Beispiele des Brutalismus der 1960er und 70er Jahre. Besonders hart trifft es die Bauten von Karl Schmucker. So etwa seine Berufsschulen, die er 1978/79 gemeinsam mit Werner Kaltenborn als Teil der markanten Uferbebauung am Neckar errichten konnte. Auch die 1954 gebaute Sparkasse D1 von Schmucker und dessen Vater Wilhelm Schmucker sowie Josef Bischof gehört dazu. Von 1977 bis 1981 war Striffler noch in der Lage, sie umzubauen. Heute scheint man das nicht mehr zu sein – sie soll einem Neubau weichen. Besiegelt scheint auch das Schicksal des Büroturms von Schmuckers Collini Center von 1975, für den die Abrissgenehmigung schon erteilt wurde.
Die Veranstalter*innen wollen nach den Gründen für die geplanten Abrisse oder Leerstände suchen. Im Pressetext stellen sie die Fragen: „Geht es um Renditen? Ist die Substanz nicht mehr zu retten? Oder sind sie der Bevölkerung ein Dorn im Auge?“ Parallel zu der Plakatserie beleuchten drei thematische Veranstaltungen die architektonischen Qualitäten, Historie und öffentliche Wahrnehmung der Gebäude sowie mögliche Zukunftsstrategien.
Das Programm startet am Donnerstag, 14. September mit Vorträgen und Diskussion unter der Überschrift „Ist das Baukultur oder kann das weg?“. Eingeladen sind unter anderem Architekt Peter Brückner, Journalistin Ursula Baus vom Magazin marlowes und Architekt Johannes Striffler. Am 1. Oktober folgt „Ein Spaziergang zu Mannheims schönsten Bausünden“ mit Turit Fröbe. Den Abschluss bildet die Veranstaltung „Nichts Neues – Eine neue Umbaukultur“ am 19. Oktober. Zu Gast sind etwa Architektin Franziska Heidecker von Hütten & Paläste, die in Mannheim die U-Halle umbauten, Alexander Stumm, der ein Abrissmoratorium initiierte, sowie Vera Krimmer von Architects for Future.
Plakatserie im öffentlichen Raum
Erste Station: 11. September bis 24. September 2023
Ort: Vorplatz Trinitatiskirche / EinTanzHaus, G4, 68159 Mannheim
„Ist das Baukultur oder kann das weg?“
Vorträge & Diskussion: 14. September 2023
Ort: Trinitatiskirche / EinTanzHaus, G4, 68159 Mannheim
„Ein Spaziergang zu Mannheims schönsten Bausünden“
Spaziergang: 1. Oktober 2023, 14-16 Uhr
Ort: Dalbergplat, N2, 68161 Mannheim
„Nichts Neues – Eine neue Umbaukultur“
Kreativwerkstatt: 19. Oktober 2023, 19-21 Uhr
Ort: Jugendkulturzentrum FORUM, Neckarpromenade 46, 68167 Mannheim
Einzelne Veranstaltungen bedürfen einer Anmeldung. Fortbildungspunkte bei der Architektenkammer Baden-Württemberg sind beantragt.
Zum Thema:
Bereits vor zwei Jahren beschäftigte sich eine Veranstaltung des MOFA mit der Umnutzung eines sakralen Bauwerks in Mannheim.
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Lassie | 11.09.2023 10:42 UhrBedrohliche Nachkriegsmoderne
in Mannheim aufgewachsen, habe ich die Gebäude am Neckar immer als sehr belastend empfunden; hoffentlich wird die Situation erträglicher. Das Problem ist die kleine Gruppe von örtlichen Architekten gewesen, die ungehindert immer mehr und immer schlechter bauen durften. Ausnahme natürlich Striffler und Serini. Vielleicht auch mal zeigen, was dahin kommen soll. Bei Serini immerhin die Erweiterung der Stadtbibliothek. Jedenfalls ist es keine gute Idee, Architekten wie Striffler und Schmucker in einen Topf zu werfen.