Meeresrauschen, Möwenkreischen, Fischgeruch – all das gibt es im Under nicht. Fünf Meter unter Null kann man das Meer von innen sehen. Im Süden Norwegens hat das erste Unterwasserrestaurant Europas eröffnet. Ein Lokaltermin.
Von Katrin Groth
Glatt und ruhig liegt die Nordsee an diesem Morgen da, ganz sanft schwappen die Wellen gegen den Beton. Der sich an der Wasserkante bereits leicht grünlich verfärbt, und das schon zur offiziellen Eröffnung, die gestern stattfand. Betrübt sind darüber aber weder die Bauherren noch die Architekten – im Gegenteil. „Es ist wichtig, dass nicht geputzt wird“, sagt Kjetil Trædal Thorsen, Chef von Snøhetta (Oslo), die den röhrenförmigen Bau mit rauer Betonoberfläche geplant haben. Die soll schließlich mal als künstliches Riff dienen. Seetang und Napfschnecken haben sich schon breitgemacht.
Algen, Schnecken und Muscheln, aber auch Salzwasser, Wellen und Sturmflut – das weltweit größte und erste Unterwasserrestaurant Europas am Südzipfel Norwegens muss einiges aushalten können. „We have a lot of weather“, bekräftigt Bauherr Stig Ubostad, der mit seinem Bruder auch das hundert Meter entfernte Hotel nahe dem Fischerdorf Båly betreibt. Doch darauf ist das Under vorbereitet. „Wir haben mit Experten zusammengearbeitet, die für die Öl-Industrie Betonstrukturen in der Nordsee bauen“, sagt Chefarchitekt Rune Grasdal, „und eine Membrantechnologie wie in Unterwassertunneln angewendet.“
Der Rohbau entstand auf einem Lastkahn in der Nähe. „Der Beton ist einen halben Meter dick, damit der Stahl innen nicht rostet“, erklärt Grasdal. Dann wurde der tonnenschwere, zunächst schwimmende Bau zu Wasser gelassen und mit Schleppboten an Ort und Stelle manövriert. Erst dann konnte die insgesamt 34 Meter lange und zwölf Meter breite Röhre tauchen gehen und schließlich mit 25 Meter tief in den Meeresboden reichenden Pfeilern verschraubt werden. Mit einer Neigung von 20 Grad lehnt sie sich jetzt gegen die norwegische Felsküste, eine Metallbrücke ermöglicht den Zugang.
Nachdem das Wasser abgepumpt war, begann man mit dem Innenausbau. „Im Kontrast zum rauen Außen soll man sich innen warm und sicher fühlen“, sagt Heidi Pettersvold Nygaard, Chefplanerin fürs Interior, die dafür auf Eichenholz auf Eingangs- und Barebene setzte. Nur unten, im Restaurant gibt es aus Gründen des Brandschutzes kein Holz, sondern textilverkleidete Deckenplatten und einen Betonboden. Fixpunkt ist aber ohnehin das elf Meter breite, 3,4 Meter hohe und 25 Zentimeter dicke Acrylglasfenster, das wie ein versunkenes Periskop einen Blick auf den Meeresboden bietet. Ein visuelles Tor ins Meer.
Anders als ursprünglich geplant, gibt es seitlich ein weiteres, vertikales Panoramafenster, das von der Küche bis in die darüber liegende Bar reicht. Jede Woche müssen die Scheiben geputzt werden. Weil sie ausgebildete Taucher sind, machen das die Bauherren, die umgerechnet rund sieben Millionen Euro investiert haben, oft selbst. In Zukunft aber soll ein Roboter helfen.
Erstmal aber gilt es, das Ökosystem unter Wasser wieder in Ordnung zu bringen, so Trond Rafoss. Der Meeresbiologe ist einer derjenigen, der den Bau zur Forschung nutzt. Ein bis zwei Jahre bräuchten Algen zur Regeneration, Muscheln schon deutlich länger. „Langfristig wollen wir die Population von Fischen und Meerestieren, ihr Verhalten und die Artenvielfalt dokumentieren.“ Die Ozeane seien wichtig, würden in Zukunft aber noch wichtiger, gerade in Bezug auf den Klimawandel, so der Biologe. „Es gibt viele Orte auf der Welt, deren Ökosysteme sich regenerieren müssen. Sie sollen von unserer Forschung profitieren.“
Ab April kann dann, wer einen der 40 Plätze ergattert, knapp fünfeinhalb Meter unter null speisen. Chef des 16-köpfigen Unterwasser-Küchenteams ist der Däne Nicolai Ellitsgaard, der vor allem lokale Meeresfrüchte, Fisch, Seetang und andere Wasserpflanzen servieren will. Gegessen wird aber nicht nur vor der Scheibe, dahinter ist mittlerweile eine Art zweites Restaurant entstanden, ein Fischrestaurant: „Dadurch, dass es abends beleuchtet ist, werden kleine Fische angelockt, die gelernt haben, dass sie hier zu fressen finden. Das lockt wiederum große Fische an“, erklärt Trond Rafoss. Auch Robben, Krabben, Hummer und Eiderenten sollen schon zum Futtern vorbeigekommen sein. Beim Presserundgang waren außer zwei Kabeljau, einem Seeigel und einigen Muscheln aber keine weiteren Gäste anwesend.
Fotos: Ivar Kvaal, André Martinsen, Inger Marie Grini
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Moses | 03.04.2019 19:04 UhrIm Sinne der Natur
Schrecklich, dass so etwas heute noch gebaut werden darf!