Ein Campus bezeichnet gemeinhin ein parkähnliches Gelände mit Gebäuden, die der universitären Nutzung oder der Forschung dienen. Doch verwenden auch immer mehr Unternehmen den Begriff für ihre Zwecke, schließlich lässt sich damit das Image aufwerten. Längst sind Firmenzentralen auf dem Weg in die New-Work-Ära auch nicht mehr nur einfache Verwaltungszentren oder Büroklötze. Die Konkurrenz um die besten Fachkräfte und mit dem Homeoffice erfordern erweiterte Angebote auf dem besagten Campus. Sport- und Freizeitanlagen, eine Kita und viel Grün sind da das Mindeste. Dazu eine Wohlfühlarchitektur, in der man sich möglichst lange und gerne aufhält. Und nicht zu vergessen: die Symbolik.
Mit dem Unternehmen Aldi assoziierte man lange Zeit das Gegenteil. Die Firmengeschichte rund um die beiden Albrecht-Brüder, die 1913 in Essen begann, ist eng verbunden mit der Trennung von Führung und Territorium der Discounter in Nord und Süd und machte bislang eher durch Verzicht auf Marketing und Modernisierung sowie durch ein bewusst spartanisches Image auf sich aufmerksam. Seit 2016 weht hier ein anderer Wind, der sich in Form eines massiven Investitionsprogramms für die Umgestaltung der Filialen, Strukturen und Außenwahrnehmung zeigt. Im Fall des nördlich verorteten Konzerns mündet diese im kürzlich fertiggestellten ALDI Nord Campus auf einem rund 14 Hektar großen Areal im Essener Stadtteil Kray.
Der Gestaltung des Gebäudekomplexes mit 112.000 Quadratmetern Bruttogrundfläche nahm sich das Büro BAID Architektur (Hamburg) an, das 2016 aus einem geladenen Wettbewerb als Gewinner hervorging. Aufgrund der Topografie bettet sich die polymorphe Struktur des Hauptgebäudes auf terrassierten Ebenen ein und greift auch in der Kubatur die Höhenstaffelung auf. Die einzelnen Gebäudeteile gruppieren sich dabei um ein fünfgeschossiges, glasüberdachtes Atrium, das als zentrale Begegnungs- und Erschließungsfläche dem neuen „Arbeitsumfeld, das viel Raum für Kooperation und Kommunikation“ lassen soll, besonders gerecht wird. Die Architektur reiht sich auch in die jüngste Linie prominent gestalteter Hauptverwaltungen deutscher Einzelhandelsketten ein, wie etwa die Firmenzentrale von dm in Karlsruhe von Lederer Ragnarsdóttir Oei (Stuttgart) oder dem Lidl-Campus in Bad Wimpfen, dessen Planung kadawittfeldarchitektur (Aachen, Berlin) verantworten.
Im Industriegebiet von Essen-Kray bietet der Stahlbetonskelettbau mit einer Bandfassade aus abwechselnd weißen Aluminiumpaneelen und raumhohen Fensterelementen Platz für rund 1.200 Mitarbeiter*innen. Die angewandten Konzepte der „Open-Space-Büros“, „Co-Working-Flächen“ und „Kommunikations-Hubs“ erlauben perspektivisch eine weit höhere Auslastung, die als Beweis für die Flexibilität der New-Work-Architekturen herhält. Neben der sogenannten Plaza und den Arbeitsstätten finden sich auch ein Betriebsrestaurant, ein Café und ein Hörsaal im Hauptgebäude wieder. Separat auf dem Gelände sind eine Kita und ein Parkhaus verortet, dazu befindet sich im Nordosten die ehemalige Firmenzentrale, die in einem nächsten Schritt saniert werden und so zu einem adäquaten Bestandteil des modernen Campus werden soll.
Die Parkanlage samt zweier Regenrückhaltebecken, der Pflanzung von 450 Bäumen, einem Kräutergarten und einer Joggingstrecke gestalteten WES LandschaftsArchitektur (Hamburg). Klimagerechte Maßnahmen im, am und um das Gebäude werden als Merkmal der neuen Unternehmensausrichtung besonders hervorgehoben. Repräsentative Kraft entwickelt nicht zuletzt das formale Leitmotiv, das sich durch die Architektur zieht. Mithilfe von Dreiecksformen und abgerundeten Ecken wird immer wieder ein direkter Bezug zum bekannten Logobuchstaben hergestellt – ob durch die Grundrissform der Plaza, des Empfangs- und Sportpavillons sowie der Kita, durch die Anordnung der Volumina oder durch die Geometrie des Oberlichts sowie einzelner Elemente im Gebäudeinneren. „Offenheit statt Abschottung“ lautet fortan die Devise. (sab)
Fotos: Marcus Bredt, Martin Haag
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JH@LND | 09.05.2022 15:16 UhrBild 5
- "..aber wo ist denn da die Vorstandsetage!? Bitte nachbessern!"
- "Kein Problem, wir verschieben einfach eine Geschossdecke ein bisschen nach oben."