Es scheint ein neuer Trend, wie man kürzlich in Marburg und nun in Villetaneuse im Département Seine-Saint-Denis nördlich der Pariser Innenstadt sehen kann: Universitäre Bibliotheksbauten, die sich flexibel um den Bestand winden. Damit hören die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Projekten allerdings auch schon auf, denn der städtebauliche Kontext könnte nicht unterschiedlicher sein. In Villetaneuse finden sich keine hübschen Altstadthäuser, sondern eine durch und durch moderne Stadtstruktur, die nach 1968 im Rahmen des Neubaus der Universität Paris-Nord entstand. Verantwortlich waren damals Adrien Fainsilber und Högna Sigurðardóttir. Die aktuelle Erweiterung stammt von Ropa & Associés (Montreuil). Bernard Ropa arbeitete einst in einer Büropartnerschaft mit Sigurðardóttir.
Die Erweiterung der bestehenden Bibliothek ist nicht nur im Kontext der wachsenden Metropole Paris zu sehen, sondern auch als Korrektur historischer Raumkonzeptionen wie jener der vorstädtischen Universität in Villetaneuse. Diese war als eine seltsame Mischung aus grünem Campus und strukturalistischer Introvertiertheit gedacht, was heute ziemlich abweisend und nicht gerade urban wirkt. Mit dem nun fertiggestellten Projekt erhielt die Universität eine Art zentralen Kopfbau, der zumindest optisch die weitläufige Uni-Anlage an die Straße rückt. Unverständlich bleibt allerdings, warum sich das Gebäude nicht noch stärker zum öffentlichen Place François Mitterrand mit seiner Tram-Haltestelle orientiert. Die Hauptfassade mit dem Eingang blickt jedenfalls nur nach innen auf den Campus.
Die Bibliothekserweiterung ist ganz konkret über Eck gedacht, weil nur Restflächen nördlich und westlich des bestehenden Hauses zur Verfügung standen. Sie wurde als geschwungener Baukörper konzipiert, der sich an den L-förmigen Bestandsbau schmiegt und sich mittig stark verjüngt. Wäre da nicht die verbindende Fassade aus Edelstahl-Paneelen, müsste man eigentlich von zwei getrennten Volumen sprechen. Im Inneren entwickelt sich das Gebäude bei einer Geschossfläche von rund 6.500 Quadratmetern über vier Geschosse hinweg. Das oberste Niveau kragt dabei in Richtung Campus aus und markiert so den Eingang wie auch den Hauptbereich. Doppelgeschossige Bereiche, ein zentrales Treppenhaus und ein begrünter Innenhof sorgen hier für eine Luftigkeit, die den eher bunkerartigen Bestandsbauten definitiv abgeht. (sb)
Fotos: Luc Boegly
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