Vor genau 25 Jahren hat Helmut Jahn in Berlin sein Sony Center am Potsdamer Platz mit einer Zeltkonstruktion überdacht. Nun wählten Marsino Arquitectura für ihre Verwaltungs- und Wirtschaftsfakultät in Santiago de Chile eine ähnliche Konfiguration. Dient das sogenannte Forum in Berlin jedoch primär dem Kommerz, ist in Santiago ein von Rampen gesäumter Wandelraum entstanden. Marsino sind im Vorort Providencia beheimatet.
Das Gebäude befindet sich auf dem Campus der Universität von Santiago am westlichen Rand der Innenstadt. Über zwei teils als Sockel ausgeführte Untergeschosse erhebt es sich mit sechs beziehungsweise zehn Stockwerken. Zwischen dem höheren und dem niedrigeren Teil spannt sich die erwähnte Zeltkonstruktion. Auf insgesamt rund 13.000 Quadratmetern versammelt der Komplex Auditorien, Seminarräume, freie Lernbereiche, ein Café und natürlich die Verwaltung der Fakultät. Unterirdisch ist außerdem noch eine Tiefgarage untergebracht, während auf dem Dach geschützte Terrassen auf die Studierenden warten.
Dem Team um Bürogründer Jorge Marsino Prado lag jedoch nicht nur an den funktionalen Aspekten eines Fakultätsgebäudes. In ihrem Projekttext nähern sie sich der Bauaufgabe auf fast schon philosophische Weise. Neben der Vermittlung von Inhalten gehe es hier auch um das Formen „guter Bürger“, die später in der Lage seien, führende Rollen in Staat und Gesellschaft zu übernehmen. Und hier kommen nun die Rampen ins Spiel, die – dem italienischen Juristen und Weltreisenden Gemelli Careri folgend – nicht mehr nur Verbindungen herstellen würden, sondern selbst zu Orten werden. In freier Bewegung könne sich hier das Subjekt im Dialog mit der Gesellschaft erfahren. Auch Claude Parent und Paul Virilio mit ihrer Kritik am kartesianischen Raum finden Erwähnung.
Man muss solchen theoretischen Exegesen aber keineswegs folgen, um den Fakultätsbau nicht trotzdem für eine höchst interessante Struktur zu halten. Der gebäudehohe Raum mit seinen farblich kodierten Erschließungselementen dürfte dem gemeinsamen Lernen schließlich nicht abträglich sein. Und die asymmetrische Gesamtkomposition aus Beton, Glas und Kunststoffmembran hat eine ganz eigene Eleganz. (sb)
Fotos: Pablo Casals Aguirres
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