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27.10.2008

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Bonner Bildungsstreit

Umstrittenes Wettbewerbsergebnis


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Im denkmalgeschützten Stadthaus am Bonner Bottlerplatz, sowie in dem angrenzenden und nicht unter Denkmalschutz stehenden „Siemens-Haus“ sind über die Jahre einige Nutzungen eher zufällig zusammen gekommen; derzeit finden sich hier neben der Stadtbibliothek auch das Schulamt, das Amt für Kinder, Jugend und Familie, sowie das Rechnungsprüfungsamt untergebracht. Ein Architektenwettbewerb, der am vergangenen Freitag entschieden wurde, sollte nun Klarheit über die neue bauliche Gestaltung des Ensembles geben. Aus 88 Bewerbungen aus ganz Europa waren per Losentscheid 20 Büros ermittelt worden, die zum begrenzten Wettbewerb zugelassen wurden. Zur Frist am 15. September hatten 15 Büros ihre Entwürfe eingereicht, unter denen die Jury um Dörte Gatermann (Köln) vier Preise und drei Ankäufe vergab.

  • 1. Preis: Alexander Koblitz, Berlin
  • 2. Preis: Springer Architekten, Berlin
  • 3. Preis: Bernhard Winking Architekten, Berlin
  • 4. Preis: Karl + Probst, München
  • Ein Ankauf: KSP Engel und Zimmermann, Köln
  • Ein Ankauf: Schneider + Sendelbach, Braunschweig
  • Ein Ankauf: Chestnutt + Niess, Berlin

Es ist keine Seltenheit, dass die Preisvergabe bei Architekturwettbewerben zu einem konstruktiven Streit in der Jury führt. „Das war ein hartes Ringen“, wird die Jury-Vorsitzende nach der Pressekonferenz zitiert und das beschreibt wohl nur unzureichend die Auseinandersetzungen zwischen Sach- und Fachrichtern in der Jurysitzung. Mit 8:5 Stimmen wurde aber dennoch der erste Preis an den wohl radikalsten eingereichten Entwurf vergeben: Alexander Koblitz schlägt einen Abriss des „Siemens-Hauses“ vor. Die Jury urteilt über diesen Schritt: „Diese Umorientierung ist aus städtebaulicher Sicht reizvoll und schafft zusätzlich die Möglichkeit einen nicht befriedigenden Stadtzustand zu verbessern. Außerdem folgt er der Forderung des Denkmalschutzes, den alten Haupteingang des Stadthauses möglichst nicht zu verändern. Das Schaffen zusätzlicher Flächen im Neubau erlaubt das vollkommene Freihalten des wertvollen Gartenbereiches von dort sicherlich störender Baulichkeit. Hier wird eindeutig Qualität gesichert.
Die Maßstäblichkeit und Formsprache des Neubaus im städtischen Erscheinungsbild ist sicherlich zu debattieren. Die Eigenständigkeit und Aktualität wird positiv gewertet.“



Die Jury sprach sich jedenfalls, offensichtlich hauptsächlich mit den Stimmen der Fachrichter (u.a. Alexander Fischer, Rainer Mertes, Manfred Hegger, Gernot Schulz und Hans-Jörg Thelen), für eine Überarbeitung des Entwurfs aus. Umso erstaunlicher, mit welcher Entschlossenheit der Bonner Kulturdezernent Ludwig Krapf bereits bei der Pressekonferenz durchblicken ließ, die Stadtverwaltung habe eigentlich eine „gewisse Präferenz“ für den zweiten Rang von Springer Architekten,  über den die Jury schreibt: „Der Entwurf ist von einer sachlichen Grundhaltung gekennzeichnet, die versucht, die Architektur ohne großen formalen Aufwand aus den Gegebenheiten der Baudenkmale und des Programmes heraus zu entwickeln. Einzig der neue Eingang am Bottlerplatz erscheint zu groß und aus formaler Sicht überzogen. Das Eingangsgeschoss, das sich im Grundriss eher nüchtern darstellt, entwickelt sich im Schnitt zu einer spannungsvollen und atmosphärisch reichen Raumfolge. Die Längsrichtung des alten Stadthauses wird geschickt in drei Bereiche untergliedert; in allen drei Bereichen entstehen charaktervolle Räume, die sowohl als ruhende Orte als auch fließende Übergänge verstanden werden können.“

Wir erinnern uns dabei an den kürzlich entschiedenen Wettbewerb für die Umgestaltung des Auditoriums der Berliner Staatsoper, dessen erster Preis nach einer teilweise niveau-armen Diskussion nun nicht realisiert werden wird (siehe BauNetz-Meldung vom 14. Juli 2008). Frau Frömbgen aus der Presseabteilung der Stadt Bonn findet das hingegen „nicht ungewöhnlich“ und erinnert uns an die Wettbewerbsentscheidung zum Post-Tower in Bonn – auch hier war statt des Siegerentwurfs von Böhmer Architekten letztlich der zweitplatzierte Entwurf von Helmut Jahn zur Ausführung gekommen (siehe BauNetz-Meldung vom 16. Dezember 2002). Sie findet zwar die Lösung von Alexander Koblitz „eigentlich bestechend“, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die Entscheidung der Jury ein Vorschlag sei, den die Verwaltung nun prüfen werde.

Architekt Alexander Koblitz hingegen ärgert sich über den Umgang mit dem  Wettbewerbswesen und sagt uns am Telefon: „Wir gewinnen einen Wettbewerb und müssen um dessen Realisierung kämpfen. Als Architekt fragt man sich dann schon, wofür man die Mühe mit Wettbewerben auf sich nimmt, wenn anschließend die Meinung einer hochkarätig besetzten Fachjury scheinbar so leicht vom Tisch gewischt wird.“

Es zeichnet sich allerdings eine Lösung ab: Erster und Zweiter Preisträger sind von der Stadt zu einer Überarbeitung ihrer Entwürfe aufgefordert worden. Beide Überarbeitungen soll dann durch die Verwaltung beurteilt und dem Rat der Stadt zur Entscheidung vorgelegt werden. Wir hoffen auf eine faire Entscheidung, im Sommer 2009 sollen die Bauarbeiten bereits beginnen.


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

5

grobian | 28.10.2008 14:22 Uhr

verunglimpfend

der bestand ist recht reizvoll- ich spreche mich für platz zwei aus.
selber ein glühender fan der chipperfield-galerie am kupfergraben. das hier hat nichts damit gemein.

hier ein foto des betstehenden siemens-hauses.
http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=loka&itemid=10490&mode=bild&detailid=510291&bid=501252

4

T. Latz | 28.10.2008 11:31 Uhr

Bonner Bildungsstreit

Das Wettbewerbsergebnis und die anschliessenden Diskussionen sind logische Folge unseres Wettbewerbswesens, das gerade vom Berufsstand der Architekten in unserem Lande vehement verteidigt wird.
Warum es in Deutschland 1., 2., 3. bis teilweise xte Preise (und Ankäufe) gibt, unter denen der AG laut Wettbewerbsrecht aussuchen kann, ist unseren Kollegen im Ausland, wo es einfach nur einer "Winner", "Laureat" etc. und sonst nichts gibt, seit jeher kaum zu vermitteln. Diskussionen nach Juryentscheidungen wie bei uns sind bei unseren Nachbarn wenig bekannt und trotzdem ist die erreichte architektonische Qualität hoch.
Man sollte sich hierzulande lieber um eine Entrümpelung und deutliche Vereinfachung unseres antiquirten Wettbewerbswesens einsetzen. Das regelmäßig einsetzende Lamento "danach" ist sonst ziemlich überflüssig.
mfg

3

Kinschel | 28.10.2008 09:05 Uhr

Wettbewerbswesen

Ich habe eine radikalen Vorschlag:
Ich spreche mich dafür aus, daß junge Absolventen der Architektur (noch mit Idealen behaftet und auf dem neusten Stand von Entwurf und Technik) ein Arbeitsstätte in den Verwaltungen für 1-2 Jahre zugesprochen bekommen, damit Sie den Zustand von Behörden von Innen kennenlernen und gegebenfalls regulativ eingreifen können. Wir könnten damit den Behördensumpf (und die gegebene Abhängigkeiten und Auftragsschiebereien) effektiv entgegenwirken und unseren Städten gute Architektur bescheren.

2

reconquista | 28.10.2008 08:49 Uhr

Mangogirls statt Schulmädchen

Hand aufs Herz, muß es denn immer so scheußlich aussehen, wenn man im modischem Look entwirft?
Und wieso zeigt die Redaktion nicht die vorhandene Situation der Eckbebauung, wohl damit keiner auf den Gedanken kommt, daß es vorher besser aussah als nachher?
Und mal ehrlich, der Laden sieht doch eher wie ein Schuhgeschäft aus!

1

harald | 27.10.2008 19:18 Uhr

chipperfield-optik

so eine naive nachahmung.
wie kann man sich denn ein gebäude derart zu herzen nehmen, dass man dieses nicht nur in seiner gesamten erscheinungsform, sondern auch in den kontextbezogenen detail-überlegungen zusammenhangslos reproduzieren muss.

 
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