Ein riesiger historischer Komplex wie das Royal Opera House in London führt ein gestalterisches Eigenleben, weil jenseits einiger Fixpunkte eigentlich keine architektonische Intervention je von Dauer sein wird. Die Ansprüche ändern sich und der Geschmack sowieso: Was vor wenigen Jahren noch als sinnvoll und schick galt, ist plötzlich hoffnungslos aus der Zeit gefallen. In die lange Geschichte des 1858 von Edward Middleton Barry fertiggestellten Gebäudes haben sich nun Stanton Williams (London) eingeschrieben. Ihre Lösung ist eine behutsame Öffnung, die zugleich einige Retroakzente setzt. Das Projekt wurde erstmals 2015 vorgestellt.
Ausgangspunkt der Umbauten waren vor allem drei Beobachtungen: Erstens entsprachen die Zugänge an der Bow Street und der sogenannten Piazza nicht mehr den heutigen Ansprüchen nach Präsenz im Stadtraum. Zweitens war die Durchwegung im Erdgeschoss und insbesondere die Anbindung des tiefergelegenen Linbury Theatres alles andere als optimal. Und drittens sollte das Linbury Theatre, das als Studiotheater bisher eher an einen experimentellen Probenraum erinnerte, neu gestaltet werden. Hinzu kamen weitere Interventionen wie die Überarbeitung der galerieartigen. oberen Ränge des Haupthauses und deren Foyer. Dort – im Obergeschoss – entstand außerdem ein zeitgemäßes gastronomisches Angebot.
Zurück im Erdgeschoss sind es vor allem eine neue Garderobe, die unter den Haupttrakt verlegten Damentoiletten, ein größerer Shop und ein umgestaltetes Café, die den Besuchern auffallen werden. Und natürlich die Erweiterung des Foyers ins Untergeschoss entlang der Bow Street. Der bisher eher geschlossene Sockel unterhalb der eisernen Blumenhalle ist jetzt verglast, was Blicke von der Straße in das tiefer gelegene Foyer des umgestalteten Linbury Theatres zulässt. Wie schon im Erdgeschoss bestimmt auch hier eine reduzierte Ästhetik mit hellem Naturstein, dunklem Holz und vielen Details aus Messing das Bild.
Gerade die Verkleidung der Wände und Decken mit Holzlamellen erzeugt im Zusammenspiel mit dem Mobiliar allerdings einen seltsamen Effekt. Was wohl wertig und zeitlos wirken sollte, lässt eher an die moderate Nachkriegsmoderne denken. Stanton Williams’ Strategie, mit der potentiellen Vergänglichkeit ihrer eigenen Intervention umzugehen, besteht darin, so könnte man vermuten, sich lieber gleich an der Vergangenheit zu orientieren – dann hält es vielleicht länger.
Das Ergebnis ist in diesem Sinne gelungen, aber insbesondere mit Blick auf das Linbury Theatre auch ein wenig tragisch. Dort bot sich bisher ein rougher Saal, der sich der repräsentativen Logik eines sehr teuren Opernhauses zumindest ein wenig entzog. Stattdessen erwartet die Besucher nun eine gefällige Umgebung, die gut zum eigenen Wohlstand passt. (sb)
Fotos: Hufton+Crow
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